feudal emanzipiert

Bemerkungen zu aktuellen Auseinandersetzungen in der und um die Linkspartei herum

Von Sophia Sinner

Vorbemerkung

In offensichtlicher Unkenntnis der allgemeinen Bewegungsgesetze in Natur und Gesellschaft werden neuerdings politische Bekenntnisse formuliert, die mit der Realität nichts zu tun haben. Voller Stolz verkünden junge Menschen, daß sie die Erkenntnisse von Marx und Engels nicht zu Kenntnis genommen haben und dies auch nicht tun werden.

Das unterscheidet sie übrigens gravierend von Marx, Engels und anderen Theoretikern des Sozialismus, – jene haben sich sehr wohl vorgefundenes Wissen angeeignet – sowohl, um es zu kritisieren, als auch, es weiter zu entwickeln.

Dieses moderne „Kritisieren durch Ignorieren“ scheint Ausdruck intellektueller Verflachung zu sein, die an Breite gewinnt.

Statt Wissen um Zusammenhänge werden Schlagworte – mitunter auch Tot-Schlagworte im politischen Alltagsgeschäft etabliert.

"... denn eben, wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein."“ – wird zwar Goethe zugeschrieben, flache Denker allerdings realisieren nicht, daß diese Worte zur Rolle des Mephisto gehören, welcher dem Famulus Wagner tieferes Eindringen in die Wissenschaft so für überflüssig erklärt.

NLP (Neuro-linguistische Programmierung) gilt übrigens als höchste Kunst de Manipulation, und wird vor allem im Marketing, zum erfolgreichen Abschluß von Geschäften eingesetzt. Hier ist das „Funktionieren“ von Worten als Auslöser von Reflexen geradezu notwendige Voraussetzung. Jedes tiefere Wissen behindert den Ablauf der Reflexe erheblich.

Zur „Antikapitalistischen Strömung“

Wir sollten nicht vergessen: die ersten und entschiedensten Gegner des Kapitalismus waren die Vertreter der feudalen Ordnung – wenigstens, soweit sie ihre Lage erkannt hatten.

Die Kräfte des Kapitalismus hatten zwar durchaus ihre Not mit der (noch) etablierten feudalen Ordnung, jedoch die Ökonomie war historisch auf ihrer Seite.

Feudalherren, die überleben wollten und die Vorgänge durchschauten, gingen (gewiß nicht ohne innere Reibung!) zur kapitalistischen Reproduktion über – und der Rest gesellschaftlich unter.

Wenn heute junge linke Politiker (oder die es sein möchten) für antikapitalistisches Denken werben wollen, so können sie das gerne tun. Den gesellschaftlichen Fortschritt befördern sie damit noch nicht. Die Gesellschaft ist schon ohne sie mehrheitlich antikapitalistisch gestimmt und wird es immer mehr.

Zitat: „… die unorganisierte Linke ist übrigens viel viel größer als diese beiden »Sekten« glauben.(der Kabarettist Wolfgang Kröske „Wie seltsam ist Dr. Gregor Gysi?
Dr. Seltsam über Linkspartei, Kabarett und die Fußball-WM“ im ND vom 01.07.06

http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=92892&IDC=2)

Revolutionär wäre es, auf Grund präziser Analyse die ökonomischen Notwendigkeiten für eine folgende ökonomische Gesellschaftsformation zu erkennen und diese Erkenntnis zu verbreiten, damit unzufriedene Mitglieder der Gesellschaft bewußt und koordiniert danach handeln können. Das haben Marx und Engels seinerzeit getan - ohne Internet und Google – aber im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten mit erstaunlichen Resultaten.

Zum „Recht auf Faulheit“

Eine Partei, deren wortführende Jugend den Ausstieg aus der einfachen wie erweiterten materiellen Reproduktion zum politischen Ziel für sich deklariert, verabschiedet sich öffentlich vom historischen Materialismus.

Sie ignoriert stolz ökonomische Determiniertheit des historischen Prozesses und setzt offensichtlich auf die tragende Kraft der Ideologie. Dies ist historisch ausprobiert und kann auch gerne noch drei bis vier weitere Male ausprobiert werden – es ist nur fraglich, ob die (historisch gebildeten und bewußten Teile der) Gesellschaft ihr das noch oft genug abkaufen.

Von Ideologie getragene Parteien haben stets eine treue Anhängerschaft, erreichen aber gesamtgesellschaftlich selten mehr als ein Prozent Zustimmung. Letzteres ist unpraktisch, wenn man auf Bundestags- und Landtagsdiäten aus ist – und daher vermute ich eine gewisse Kompromißbereitschaft, die sich auch richtig innerhalb der Bundestagsfraktion bereits erwiesen hat – weniger allerdings vorerst im Parteivorstand – wo man auch weniger zu verlieren hat.

Ergänzung von Dietmar Braune – Praktische Beispiele

Im ND vom 1./2.07.06 bezichtigte ein Herr Ulmer alle Gegner des „bedingungslosen Grundeinkommens“, sie seien Gegner der „individuellen Freiheit„ eines der höchsten Ziele des Kampfes der Linken für das Wohl der Menschheit.

Ich antwortete mit Leserbrief (gekürzt):

Das erste mal erlebte ich Diese Denke beim vorletzten Landtagswahlkampf in Bremen ( ca. anno 2000). Ein junger Genosse lud uns Wahlhelfer aus Dresden zu einem Kaffee in seine hübsche kleine Wohnung in einem netten Reihenhaus ein, gute Bremer Wohngegend. Auf meine Frage, womit er seine Brötchen verdiene, antwortete er sinngemäß, er sei Sozialhilfeempfänger, das bezahle die Stadt Bremen. Arbeiten wolle und müsse er nicht, das sei überhaupt die einzige einem antikapitalistischen Linken gemäße Lebensweise: sich selbstbestimmt der kapitalistischen Ausbeutung zu entziehen.

Genau diese Denke liegt dem vom Netzwerk propagierten Projekt "Bedingungsloses Grundeinkommen" zugrunde. Die von Ulmer als falsch zurückgewiesene Prognose " die große Masse der Erwerbstätigen" müsse "mehr arbeiten und schlechter leben", ist genau richtig!

Denn: alle "Lebensmittel", von Wohnung, Nahrung über das Honorar für einen begnadeten Künstler, die Luxusjacht des Vermögenden bis zum "Grundeinkommen" müssen durch die lebendige Arbeit der Erwerbstätigen geschaffen werden!

Diese unumstößliche Tatsache wird vom Netzwerk vollständig und absichtlich ignoriert. Auf die sowieso vorhandene kapitalistischen Ausbeutung soll noch eine zweite Ausbeutung für das "Grundeinkommen" draufgesattelt werden.

Bezeichnenderweise kommen solche Theorien ursächlich von "Westlinken", begierig von Jungen Leuten im Osten aufgegriffen, die endlich die antikapitalistische Aktion durchziehen wollen, ohne sich von "Ökonomie“ oder „Warenproduktion" ablenken zu lassen.

Am Tag der Veröffentlichung meines Leserbriefes ergab sich darüber eine interessante Diskussion mit einem sehr für die „Junge Linke“ in Dresden engagierten und von mir geschätzten jungen Genossen. Sein wesentliches Argument: „Wieso Ausbeutung? Der Grundeinkommensbezieher bezahlt doch alles, was er konsumiert. Somit fließt es doch als Einkommen an den Erwerbstätigen zurück!“ Null Ahnung von Warenproduktion, Mehrwertentstehung und seiner Verteilung etc.pp.!!!

Daraufhin fragte ich ihn, welche Merkmale den Kapitalismus von allen anderen Wirtschaftsystemen unterscheiden? Auf „Kapital“ kam er noch, alles andere bürgerliche Volkswirtschaftslehre. Ich wollte gar nicht mehr wissen, was seiner Meinung nach „Kapital“ von „Vermögen“ unterscheidet, sondern meinte, aus Marx könne sein Wissen nicht geschöpft sein.

Seine Antwort im Brustton der Überzeugung: “Marx habe ich nie gelesen und auch nicht lesen wollen!“

Damit endete zunächst unser Gespräch. Ich bin einigermaßen erschüttert. Siehe oben: Man will die Menschheit mit dem „Neuen Antikapitalismus“ beglücken, und hat Null Ahnung, wie der „alte Kapitalismus“ funktioniert?!

Was müssen wir „Alten“ anders machen??

Dietmar Braune, Stadtverband "Die Linke.PDS" Dresden

"PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte" - Schollbach (ursprünglich Coswiger) kritisiert


Heute ausnahmsweise mal ein Artikel aus dem Newsletter des Landesvorstandes. Er zitiert: Freie Presse (http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Presse) vom 29. Juni 2006

"PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte" - Schollbach kritisiert Jugendclique und Machtlosigkeit der Partei

Dresden. In der PDS/Linkspartei geht die Aufarbeitung der jüngsten Aktion ihrer Jugendbrigade weiter. Nach dem verheerenden Echo, das die Forderung nach Einholen der deutschen Fahnen auslöste, stärkte der sächsische Landesvorstand der in Bedrängnis geratenen Vorsitzenden Cornelia Ernst den Rücken.
Mit Andre Schollbach (27) meldet sich ein junger PDS-Politiker kritisch zu Wort.
Der angehende Jurist ist Sprecher der PDS-Fraktion im Dresdner Stadtrat. Mit ihm sprach Hubert Kemper.

Freie Presse: Fühlen Sie sich von der PDS-Jugend vertreten?
Andre Schollbach: Weder ich, noch eine große Zahl der jungen Mitglieder in der PDS. Das sind Menschen, die im Leben stehen und bereits eine Biografie vorweisen können. Wir verfolgen zwar einen linken Politik-Ansatz, wollen aber nicht die Weltrevolution ausrufen. Es geht um machbare Politik und nicht um Sektierertum linksradikaler Tagträumer.

Freie Presse: Sollte man sie deswegen nicht zu ernst nehmen?
Schollbach: Dieser nahe liegenden Gefahr ist die Partei bereits erlegen. Eine kleine skrupellose, intrigante Clique hat die Schaltstellen der PDS besetzt. Weil man gegen sie nichts mehr ausrichten kann, arrangiert man sich mit ihr.

Freie Presse: Wie stark ist die Gruppe, die plötzlich das Außenbild der PDS belastet?
Schollbach: Der Kern ist nicht größer als 100 bis 150 Leute - von insgesamt 15.000 Mitgliedern.

Freie Presse: Worum geht es der so genannten Jugendbrigade?
Schollbach: Ihr geht es nicht um politische Inhalte, vielmehr um Macht und Mandate. Provokationen wie jetzt mit den Deutschland-Fahnen sind keine Ausrutscher. Sie sind Teil einer langfristigen Strategie, mit der in Kauf genommen wird, die Partei insgesamt zu beschädigen. Die Wähler sind ihnen ziemlich gleichgültig.

Freie Presse: Warum wehrt sich die Basis nicht?
Schollbach: Die Basis ist in großen Teilen entweder überaltert oder beruflich so eingespannt, dass sie zu Korrekturen kaum mehr fähig ist. Viele etablierten Landespolitiker halten still, weil sie wissen, wie stark der Intrigantenklub ist.

Freie Presse: Wohin steuert Ihre Partei?
Schollbach: Die PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte. Die Menschen haben uns gewählt, weil wir uns den Sachthemen widmen und nicht die Träume von Polit-Desperados erfüllen sollen.

Bonk-Link zu Presseerklärungen

Zu Recht machte Uwe Schnabel aus Coswig darauf aufmerksam, daß Julia Bonks Presseerklärung zu den bunten Fahnen nicht unter "Presseerklärungen" auf ihrer Landtags-Abgeordnetenseite, sondern unter http://www.nein-zum-deutschlandhype.de (zur Ansicht Überschrift anklicken) veröffentlicht ist.

Dort soll auch die Erklärung von Peter Porsch zur Rolle von Schwarz-Rot-Gold in der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848 sowie zur Abstinenz realer Faschisten gegenüber diese Fahne zu finden sein - aber nicht auf Anhieb - finde ich.

Der Eintrag hier (vom 21. Juni) reicht mir da vollkommen.

rbi aktuell: Julia Bonk will die Deutschlandfahnen von der Straße holen

(Für den ausführlichen Text Überschrift anklicken!)

"Gern mal Mäuschen wäre man nach der Veröffentlichung wohl in den Räumlichkeiten der NPD-Fraktion gewesen, bei der die Sache angekommen sein muß, als fallen Weihnachten und Ostern auf einen Tag. So genüßlich sind deren Presseerklärungen selten geschrieben. Verständlich: die NPD hatte einen Erfolg zu feiern. Eine "Linke" bietet sich dar, wie es den Faschisten nur recht sein kann."

Das ist mir heute aufgefallen. Dazu sollte manchem vielleicht etwas einfallen.

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