"PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte" - Schollbach (ursprünglich Coswiger) kritisiert


Heute ausnahmsweise mal ein Artikel aus dem Newsletter des Landesvorstandes. Er zitiert: Freie Presse (http://de.wikipedia.org/wiki/Freie_Presse) vom 29. Juni 2006

"PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte" - Schollbach kritisiert Jugendclique und Machtlosigkeit der Partei

Dresden. In der PDS/Linkspartei geht die Aufarbeitung der jüngsten Aktion ihrer Jugendbrigade weiter. Nach dem verheerenden Echo, das die Forderung nach Einholen der deutschen Fahnen auslöste, stärkte der sächsische Landesvorstand der in Bedrängnis geratenen Vorsitzenden Cornelia Ernst den Rücken.
Mit Andre Schollbach (27) meldet sich ein junger PDS-Politiker kritisch zu Wort.
Der angehende Jurist ist Sprecher der PDS-Fraktion im Dresdner Stadtrat. Mit ihm sprach Hubert Kemper.

Freie Presse: Fühlen Sie sich von der PDS-Jugend vertreten?
Andre Schollbach: Weder ich, noch eine große Zahl der jungen Mitglieder in der PDS. Das sind Menschen, die im Leben stehen und bereits eine Biografie vorweisen können. Wir verfolgen zwar einen linken Politik-Ansatz, wollen aber nicht die Weltrevolution ausrufen. Es geht um machbare Politik und nicht um Sektierertum linksradikaler Tagträumer.

Freie Presse: Sollte man sie deswegen nicht zu ernst nehmen?
Schollbach: Dieser nahe liegenden Gefahr ist die Partei bereits erlegen. Eine kleine skrupellose, intrigante Clique hat die Schaltstellen der PDS besetzt. Weil man gegen sie nichts mehr ausrichten kann, arrangiert man sich mit ihr.

Freie Presse: Wie stark ist die Gruppe, die plötzlich das Außenbild der PDS belastet?
Schollbach: Der Kern ist nicht größer als 100 bis 150 Leute - von insgesamt 15.000 Mitgliedern.

Freie Presse: Worum geht es der so genannten Jugendbrigade?
Schollbach: Ihr geht es nicht um politische Inhalte, vielmehr um Macht und Mandate. Provokationen wie jetzt mit den Deutschland-Fahnen sind keine Ausrutscher. Sie sind Teil einer langfristigen Strategie, mit der in Kauf genommen wird, die Partei insgesamt zu beschädigen. Die Wähler sind ihnen ziemlich gleichgültig.

Freie Presse: Warum wehrt sich die Basis nicht?
Schollbach: Die Basis ist in großen Teilen entweder überaltert oder beruflich so eingespannt, dass sie zu Korrekturen kaum mehr fähig ist. Viele etablierten Landespolitiker halten still, weil sie wissen, wie stark der Intrigantenklub ist.

Freie Presse: Wohin steuert Ihre Partei?
Schollbach: Die PDS muss sich entscheiden: Volkspartei oder Sekte. Die Menschen haben uns gewählt, weil wir uns den Sachthemen widmen und nicht die Träume von Polit-Desperados erfüllen sollen.

Bonk-Link zu Presseerklärungen

Zu Recht machte Uwe Schnabel aus Coswig darauf aufmerksam, daß Julia Bonks Presseerklärung zu den bunten Fahnen nicht unter "Presseerklärungen" auf ihrer Landtags-Abgeordnetenseite, sondern unter http://www.nein-zum-deutschlandhype.de (zur Ansicht Überschrift anklicken) veröffentlicht ist.

Dort soll auch die Erklärung von Peter Porsch zur Rolle von Schwarz-Rot-Gold in der bürgerlich-demokratischen Revolution 1848 sowie zur Abstinenz realer Faschisten gegenüber diese Fahne zu finden sein - aber nicht auf Anhieb - finde ich.

Der Eintrag hier (vom 21. Juni) reicht mir da vollkommen.

rbi aktuell: Julia Bonk will die Deutschlandfahnen von der Straße holen

(Für den ausführlichen Text Überschrift anklicken!)

"Gern mal Mäuschen wäre man nach der Veröffentlichung wohl in den Räumlichkeiten der NPD-Fraktion gewesen, bei der die Sache angekommen sein muß, als fallen Weihnachten und Ostern auf einen Tag. So genüßlich sind deren Presseerklärungen selten geschrieben. Verständlich: die NPD hatte einen Erfolg zu feiern. Eine "Linke" bietet sich dar, wie es den Faschisten nur recht sein kann."

Das ist mir heute aufgefallen. Dazu sollte manchem vielleicht etwas einfallen.

Das Gegenteil einer Dummheit ist nicht notwendigerweise eine Klugheit

Da haben wir den Salat.
Das Revolverblatt BZ gibt genüßlich unser "Sternchen von der Jugendbrigade" wieder. Hier - oder Überschrift anklicken.

Das ist mir heute aufgefallen. Dazu sollte manchem vielleicht etwas einfallen.

Porsch: Bonk spricht nicht für Fraktion - in Schwarz-Rot-Gold passt kein Hakenkreuz


Zur Pressemitteilung von MdL Julia Bonk zu den deutschen Fahnen bei der Fußball-WM erklärt der Vorsitzende der Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag, Prof. Dr. Peter Porsch:
Man kann und muss als Linke die übertriebene Kommerzialisierung des Fußballs kritisieren, man soll darauf hinweisen, dass Afrikaner bei dieser Weltmeisterschaft nur als Spieler in europäischen und südamerikanischen Mannschaften (eben dort, wo das Geld ist) erfolgreich sein können. Die Fahnen aber stehen für die nichtkommerzielle Komponente der Weltmeisterschaft, was man nicht zuletzt daran sieht, dass die Produzenten in Deutschland nicht auf die Begeisterung der Fans eingestellt waren und es zu Lieferengpässen gekommen ist. Wer Schwarz-Rot-Gold angreift, muss im Übrigen wissen, dass diese Farben von Anfang an Verfassungsstaat und Emanzipation von Willkürherrschaft von Dynastien symbolisierten, wohlweislich haben deshalb die Nazis diese Farben nie verwendet. Wir sollten sie ihnen auch heute nicht in die Hände spielen.
Man kann auch nicht glaubwürdig gegen Fremdenfeindlichkeit auftreten und zugleich die Symbole der eigenen Kultur hassen. Dieser umgekehrte Nationalismus erreicht das Gegenteil von dem, was er als Ziel vorgibt. Ganz davon abgesehen, dass jeder Fußballverein eigene Fahnen hat, und die politische Losung, Fußballfahnen aus dem Verkehr ziehen zu wollen, von
weltfremder Arroganz zeugt. Die Linksfraktion.PDS hat immer antirassistische Fanprojekte unterstützt, und Frau Bonk kann durch Verteilung entsprechender T-Shirts in den Stadien der Deutschen Bundesliga und darunter dazu gern einen Beitrag leisten.
Die Linksfraktion.PDS und die ihr angehörenden Fußballfans begeistern sich wie Millionen andere an schönen Spielen in einer friedlichen und spannenden WM, der durch die Fans aller Mannschaften und ihre Fahnen die einzigartige internationale Atmosphäre verliehen wird, die derzeit unzählige Besucher aus aller Welt zu schätzen wissen. Gerade für die durch global agierendes Kapital benachteiligten kleinen Nationen ist die WM eine gute Gelegenheit, auf sich aufmerksam zu machen.

Marcel Braumann
(Pressesprecher)
Tel.: (0351) 4935823
Handy: 01718983985

Den ND-Artikel hierzu liest man durch Anklicken der Überschrift - oder hier

"PDS und Bürgernähe" - nachlesenswert anläßlich des aktuellen Wahlausgangs in Chemnitz - oder: Für wen soll die PDS Politik machen?

vollständigt veröffentlicht in: UTOPIE kreativ (Dezember 2004)

(ein Auszug /R.H.)

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Auf dem „Kommunalpolitischen Parteitag" der PDS 1996 in Magdeburg wird der Antrag, aktive Kommunalpolitiker bevorzugt zur Diskussion sprechen zu lassen, von den Delegierten mit Mehrheit abgelehnt. Es ist jener Parteitag, auf dem auch unwidersprochen der denkwürdige Satz fällt, dass Kommunalpolitik das Einfallstor der Reaktion sei.

Das Wort Bürgernähe wird von PDS-Politikern allenthalben benutzt, in guter Absicht und mit ehrlicher Überzeugung. Aber was bedeutet es? Ständig „vor Ort" sein? Regelmäßige Sprechstunden im Wahlkreis abhalten? Auf Demos gemeinsam mit den Bürgern protestieren? Gummibärchen und Kondome vor Gymnasien verteilen? Markige Sprüche auf Plakaten, beispielsweise „Es reicht!"? Infostände vor Einkaufscentern, Bürgerversammlungen und Rechtssprechstunden?

Das alles gehört zum politischen Geschäft. Das alles wird getan, und zwar in Sinuskurven, auch bei der PDS. Geringe Aktivität in Zwischenwahlzeiten, große in Wahlzeiten. Aber Bürgernähe ist es nicht. Nicht wirklich.

Dem Bürger nahe sein ...
Ja welchem Bürger eigentlich? Diese Frage wird selten gestellt, meist gehen alle irgendwie davon aus, dass man denselben Bürger meint. Aber auch in der PDS ist Bürger nicht gleich Bürger.

„Meine Öffentlichkeit ist die Linke", hielt mir Hans Modrow in einer Sitzung des Parteivorstandes Anfang 1993 entgegen - einer Krisensitzung wegen meines Treffens mit dem Führer einer rechten Partei. Ich war mit diesem zusammen gekommen, um zu versuchen, den damals gängigen regelmäßigen Schlägereien zwischen linken und rechten Jugendlichen in einem Dresdner Jugendklub ein Ende zu setzen. Nach der Sitzung trat ich von der Funktion der stellvertretenden Bundesvorsitzenden zurück, kam damit der unvermeidlichen Abwahl zuvor.

Bei Modrow's Feststellung fiel es mir damals wie Schuppen von den Augen. Bis zu diesem Moment hatte ich mir nie ernsthaft einen Kopf gemacht, wer Adressat von PDS-Politik ist, es offenbar jedoch ganz unbekümmert völlig anders praktiziert, als es der Ehrenvorsitzende für richtig hielt. In meinen damaligen Aufzeichnungen notierte ich: „Sie kann nichts anfangen mit solchen Bemerkungen, wie mit denen von Modrow, seine Öffentlichkeit sei die Linke. Ihre Öffentlichkeit sind die Bürger, schon immer, und sie hat sich in ihrer Politik in Dresden immer bemüht, auf die Bürger zu setzen und nicht auf die Minderheit der Linken und sie weiß, daß sie gerade deshalb erfolgreich war. Und irgendwie spürt sie, daß sie grundsätzlich anders an Politik herangeht, als die meisten der anwesenden Vorstandsmitglieder."

1993 liegt sehr weit zurück, aber diese grundsätzliche Differenz, die mir damals zum ersten Mal so blitzartig klar wurde, begleitete mich in meiner gesamten politischen Laufbahn und begegnet mir bis heute. Sie hat sich gar weiter zugespitzt.

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Als wohnungspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, die sich angesichts des horrenden Wohnungsleerstandes für den Erhalt der ostdeutschen kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen engagierte, wurde mir ganz ähnlich mehr als einmal der Vorwurf gemacht, dass die PDS Politik für Mieter mache, nicht für Vermieter. Öffentlich für persönliches Wohneigentum und kleine Hauseigentümer einzutreten ist innerparteilich sowieso bis heute eine kitzlige Angelegenheit - selbst unter PDS-Mandatsträgern, die sich, begünstigt durch ihre finanziell gute Lage, längst ein eigenes Häuschen geleistet haben. Nicht selten musste ich bangen, ob entsprechende, von mir erarbeitete Anträge und Gesetzentwürfe, bereits in der Fraktion die erforderliche Mehrheit erhielten.

Doch hinter der Frage, welchen Bürger man „zu vertreten" meint, versteckt sich in der Konsequenz, welche Sicht man auf Politik und Gesellschaft hat, verbirgt sich letztlich wie nah man dem Bürger wirklich ist.

Versteht man sich ausschließlich als Interessenvertreter einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe, kann man im Grunde ungerührt all das zum politischen Ziel erklären, von dem man meint, dass es im Interesse dieser Gruppe liegt. Dass man damit bei den Adressaten gut ankommt, scheint sicher. Aber - und das ist das eigentliche Problem - mögliche negative Folgen einer denkbaren Realisierung solcher Ziele glaubt man, nicht bedenken zu müssen.

Ein aktuelles, besonders prägnantes Beispiel dafür befindet sich im Mieter-ABC, herausgegeben vom Parteivorstand im Wahlkampf 2004. Dort ist mit Blick auf das Überangebot an Wohnungen in Ostdeutschland zu lesen: „Statt nun die Mietpreise zu senken, um unterversorgten Familien und Wohnungslosen eine Chance auf Verbesserung ihrer Wohnsituation ermöglichen zu können, setzen sie (die Vermieter, C.O.) vor allem auf Marktbereinigung durch Abriss."

Die Autoren des Papiers benutzen hier die Gruppe der „unterversorgten Familien und Wohnungslosen" - ein momentan vergleichsweise winziger Teil der Bürger - um Mietpreissenkungen zu propagieren und sich gegen Wohnungsabriss zur Wehr zu setzen. Da kommt Freude auf, man darf sich im Wohlwollen der Adressaten sonnen, denn niemand wird gegen Mietsenkungen protestieren, auch niemand aus der Gruppe der finanziell besser gestellten.

Aber die gesellschaftlichen Folgen einer solchen Politik wären verheerend: den Wohnungsunternehmen würde der Konkurs drohen, kommunales und genossenschaftliches Eigentum würde den Bach runter gehen, während sich Kapitaleigentümer - und diesmal „richtige" - gegen einen bescheidenen Obolus im ostdeutschen Wohnungsmarkt breit machen und anschließend mit Dumpingmieten auch noch den Rest der Wohnungswirtschaft zugrunde richten würden. Den „unterversorgten Familien und Wohnungslosen" und darüber hinaus der gesamten ostdeutschen Mieterschaft hätte man damit den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen; man hätte gegen ihre Interessen gehandelt. Und so entpuppt sich obiges Zitat, das auf den ersten Blick wahnsinnig bürgernah klingt, als das ganze Gegenteil. Nämlich bürgerfern. Und es ist Populismus pur.

Natürlich ist es legitim, nur bestimmten Bürgern „nahe zu sein", nur Teilinteressen zu artikulieren. Schadlos vor allem, solange man in Opposition ist. Unter Umständen kann diese Politiksicht sogar richtig sein. Obwohl es schon vorgekommen sein soll, dass man sich in Zeiten der Opposition nur unzulänglich auf das Tragen der Verantwortung für einen Gesamtorganismus vorbereitet hatte und vom plötzlichen Regieren-Müssen überrascht wurde.

Teilinteressen zu vertreten ist nicht meine Sicht. Auch und gerade eine linke Partei muss, wenn sie bürgernah sein will, den Gesamtorganismus Gesellschaft und damit alle Bürger und deren vielfältige, zum Teil divergierende Interessen im Blick haben. So schwierig das auch sein mag.

Denn es hat immer Folgen, wenn man in so komplexe Gebilde eingreift, wie es moderne Gesellschaften sind. Ein in bester Absicht verfolgtes Ziel kann sich in sein Gegenteil verkehren und damit gegen große Teile der Bevölkerung richten. Dass die Gefahr ungewollter Wirkung besonders groß ist, wenn man sich in der Politik von partiellen Interessen leiten lässt, steht für mich außer Frage. Schließlich und endlich kann man, will man Demokrat sein und bleiben, Politik nicht gegen Mehrheiten durchsetzen. Letztere Sicht ist nur ein anderer Ausdruck für Bürgernähe.

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In meiner Amtszeit als Stadtvorsitzende gehörte ich zu den Initiatoren von immerhin vier Bürgerbegehren. Als prominente Gegnerin der stadtschneidenden Trasse der Autobahn 17 kämpfte ich mit der Dresdner PDS, anlässlich eines Bürgerbegehrens der CDU für diese Trasse, engagiert dafür, eine Mehrheit der Bürger für unsere Position, also gegen die Trasse zu gewinnen. Zwei der von uns initiierten Bürgerbegehren haben wir zum Erfolg geführt, den Bürgerentscheid zur Autobahn gewann die CDU.

Das mag enttäuschend sein. Doch kein noch so hehres Ziel rechtfertigt es, sich für dessen Durchsetzung im Zweifelsfall auf parlamentarische Mehrheiten zurückzuziehen, in der Annahme, besser zu wissen, was gut für den Bürger ist. Auch Linke sind nicht unfehlbar.

Objektives Handicap
Dem Bürger kommt man, genau genommen, dann am nächsten, wenn man in ähnlicher Lage lebt wie dieser, wenn folglich die soziale Zusammensetzung der Partei annähernd dem Querschnitt der Bevölkerung entspricht. Dass das bei der PDS nicht so ist, scheint eine Binsenwahrheit. Doch es schadet nichts, sich die Fakten immer wieder bewusst zu machen.
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Wie die Vergangenheit zeigt, gelang es trotz guter Absichten und enormer Anstrengungen nicht, die soziale und altersmäßige Zusammensetzung der PDS nachhaltig zum Positiven zu verändern. Auch Gabi Zimmers Mahnung auf dem Cottbusser Parteitag 2000 - und diese ließ es an Deutlichkeit nicht fehlen - blieb diesbezüglich folgenlos: „Wir brauchen Vertreter aller Generationen in unseren Reihen - und nicht nur, weil wir sonst auszusterben drohen. … Wir brauchen vor allem die Vertreter der mittleren Generation, die der 35- bis 51- Jährigen: Sie wissen, wie die Uhren hierzulande ticken. Ihr Wissen, ihre Fähigkeiten fehlen der Partei besonders."

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Rolle der Politiker
Umso wichtiger ist die Rolle der PDS-Politiker. Sie haben in der Partei naturgemäß die Meinungsführerschaft, tragen besondere Verantwortung für Bürgernähe. Doch gerade sie laufen auch besondere Gefahr, sich vom Bürger zu entfernen und sich vom Leben abzuheben, ohne dass sie dies beabsichtigen. Denn auch sie sind den größten Teil ihres politischen und parlamentarischen Alltags unter sich, auch ihre Kommunikation ist weitgehend geschlossen, selbst wenn sie dies heftig abstreiten.

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Eine Reihe Politiker sind mittlerweile ohne Unterbrechung 14 Jahre lang Abgeordnete in Landtagen und werden es, zum Beispiel in Sachsen, noch für weitere fünf Jahre sein. Einen regelrechten Lebensabschnitt haben sie damit in der verantwortungsvollen, aber sozial gut gesicherten und gesellschaftlich anerkannten Position des Parlamentariers zugebracht, quasi die gesamte Umbruchzeit seit der Wende, mit ihren sozialen und strukturellen Verwerfungen, denen sich Millionen nicht so leicht entziehen konnten. Für nicht wenige von ihnen ist es mittlerweile der letzte große Lebensabschnitt vor dem Renteneintritt.

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Das Problem, „die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" ist so allerdings auch nicht zu lösen, das sei zugestanden.

Allerdings haben die PDS-Politiker der „ersten Generation" einen großen Vorzug, auch wenn sie ihre Tätigkeit als Abgeordnete bis heute ununterbrochen ausüben. Sie, die zu Wendezeiten um die 40 waren, hatten bereits ein gerüttelt Maß Lebenserfahrung, waren im Leben verwurzelt, wenn auch in einer anderen Gesellschaft. Sie hatten eine qualifizierte Ausbildung, waren an verantwortlicher Stelle tätig, hatten Familie, Kinder geboren und groß gezogen. Sie wussten, was es heißt, reale Verantwortung zu tragen - von Anfang bis Ende. Eine Sache nicht nur zu beginnen, sondern sie auch zu Ende zu führen, unter Umständen, die anders und zum Teil komplizierter waren als sie es heute sind. Das hat sie und ihre Charaktereigenschaften geprägt.

Dieser Lebenserfahrung der ersten Politikergeneration der PDS ist das Überleben und nachfolgende Etablieren der PDS maßgeblich geschuldet. Mögen Begriffe wie „Pflichtbewusstsein" und „Arbeitsdisziplin" vielen, insbesondere jüngeren suspekt sein: ich nenne sie ganz bewusst und plädiere für ihre Renaissance. Denn Politik ist Arbeit, harte Arbeit.

Die neue Politikergeneration
Mittlerweile ist auch die Nachwende-Politiker-Generation der PDS auf dem Weg zum Berufspolitiker. Zur Wende jugendlich oder fast noch Kind stürzt man sich heute zum Teil bereits in die nächste oder übernächste Wahlperiode. Man hat also seinen ersten großen Lebensabschnitt nach dem Kindesalter, bevor man richtig ins Leben gerochen hat, sofort als Politiker begonnen. Und man hat diesen Abschnitt in der Regel nicht begonnen, um ihn so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Denn auch in der PDS gilt: Einmal Politiker, immer Politiker.

Zur PDS, bzw. in ihr Umfeld oder ihre „Vorfeldvereinigungen", kamen diese jungen Leute im Allgemeinen nach ihrer Schulausbildung, meist vor dem Abschluss eines Berufs oder Studiums, selten danach. Sie erhielten teilweise (gering) bezahlte Arbeitsplätze, z.B. in Wahlkreisbüros, Vereinen, etc. Ihr Lebensmittelpunkt in der Zeit vor ihrer Wahl in Ämter und Mandate war nach Elternhaus, Freundeskreis und Schule ausschließlich die PDS und ihr Umfeld. Dieser Alltag setzt sich nach der Übernahme von Mandaten und Funktionen nahtlos fort.

Bei dieser Generation der jungen und jüngeren PDS-Politiker, die z.B. auch in Sachsen bereits wichtige Funktionen und Mandate innehaben, ist mir erst in letzter Zeit so richtig klar geworden, dass ihnen gerade diese oben genannte Lebenserfahrung fehlt - aus meiner Sicht die unentbehrliche Grundlage für wirkliche Bürgernähe. Natürlich ist nicht ihnen das vorzuhalten, sie fehlt ihnen altersbedingt. Zu kritisieren ist jedoch, dass ihr Umfeld es ihnen so leicht macht, den scheinbar erfolgversprechendsten, den bequemsten Weg einzuschlagen - ohne Berücksichtigung negativer Folgen. Im Nacken die ungünstige Altersstruktur der Mitgliedschaft mit ihren unausweichlichen Konsequenzen. „Geschlagen ziehen wir nach Haus, die Enkel fechten's besser aus!" heißt das unausgesprochene Motto.
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Wenn eine 17-jährige Abiturientin für einen aussichtsreichen Listenplatz nominiert wird und mit 18 gesichert in den Landtag einzieht, steht das als besonders prägnantes Exempel für eine Personalpolitik, die ich jedoch auch aus der Sicht von Bürgernähe für verfehlt halte. Da ist es vorerst zweitrangig, dass es bei ihrer und der Nominierung anderer Jugendlicher formell „korrekt" (das heißt satzungskonform) zuging: Der Landesjugendtag der „PDS-Jugend Sachsen" ist laut Satzung Gliederung des Landesverbandes und hat Vorschlagsrecht.

Das eigentliche Kernproblem ist, dass sich von den rund 300 Jugendlichen der sächsischen PDS unter 30 nur knapp über 40 an dieser Veranstaltung beteiligten und ihr Votum abgaben. Eigentlich darf man es gar nicht zu Ende denken, denn letztlich hatten damit gerade einmal zwei Promille der Mitgliedschaft der sächsischen PDS den Einfluss, neun Bewerber auf den umstrittenen ersten 40 Plätzen der Landesliste unterzubringen und für fünf von ihnen je eines der insgesamt schwer errungenen einunddreißig Landtagsmandate zu sichern. Wenn schon die gesamte PDS in ihrer sozialen Struktur fernab vom Querschnitt der Bevölkerung liegt, trifft dies auf diesen winzigen Teil der Partei - wenn auch auf völlig andere Weise - erst recht zu.
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Die Sprache
Schließlich hat auch Sprache - in der PDS vernachlässigt, trotz modern gewordener Trainingskurse - mit Bürgernähe zu tun; ja vielleicht beginnt Bürgernähe gerade dort zuallererst.

Bärbel Romanowski, schärfte mir wie allen anderen Bundestagsabgeordneten vor unseren Reden stets ein: „Die Oma am Fernseher muss Euch verstehen, niemand sonst. Ihr redet für sie, nicht für die Politiker im Plenarsaal." Sie hatte recht. Dem Volk mehr auf's Maul zu schauen, wäre unseren Politikern jedenfalls dringend zu empfehlen, und vorbeugend füge ich umgehend hinzu, dass dieser Luther'sche Spruch nichts damit zu tun hat, dem Volk nach dem Munde zu reden.

„Die Gesamtsituation ist unrockbar - wir bringen die Verhältnisse zum Tanzen", steht als Überschrift über dem bereits erwähnten Jugendwahlprogramm der sächsischen PDS. Wie viele Bürger werden das verstehen, geschweige so sprechen?

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Und schließlich kennt jeder das alltägliches Bild aus PDS-Veranstaltungen zur Genüge und seit Jahren: Der Redner ruft: „Gerade jetzt wird die PDS als konsequent sozialistische Partei links von der SPD gebraucht!", das Auditorium spendet begeistert Beifall. Keiner der Anwesenden hebt die Hand und fragt: „Was, Genosse Politiker, meinst Du mit „konsequent sozialistisch", und was bedeutet 'links von der SPD'?" Welch ein Glück, dass in solchen Veranstaltungen der Bürger in der Regel gar nicht erst nicht anwesend ist.

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Sprache und Denken bilden eine Einheit. Wer vom Bürger her denkt, vermeidet Partei-, Polit- und Klienteljargon und weiß sich verständlich, überzeugend und menschlich auszudrücken. Und es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Begrifflichkeit unserer Sprache uns die falschen Fragen stellen lässt und demzufolge auch die Antworten falsch ausfallen.

Mir ist so, als hätten sich - bis ein, zwei Jahre nach der Wende - die Papiere noch anders gelesen, die Reden noch anders angehört. Ich glaube, beobachtet zu haben, dass die damalige gesellschaftliche Ablehnung der PDS deren Repräsentanten zur Selbstkontrolle zwang, zu Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt im Gebrauch der Sprache. Dass man sich damals sehr in Acht nahm, die Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen mit einer Sprache, die in Schwulst und Bombast an die SED erinnerte. Diese Periode ist lange vorbei und damit, so mutet es an, auch die Selbstdisziplin im Sprachgebrauch.

Heute scheint es wieder auszureichen, zu versichern, dass der „Kampf gegen Sozialabbau" in „enger Verbindung zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit" unerlässlich sei, man endlich „Inhalte" brauche und man sich „Konzepten" zuwenden müsse, um den „Reichtum von oben nach unten zu verteilen", am besten in einem „breiten linken Bündnis".
...

Sprache ist verräterisch. Gott sei Dank.

von Christine Ostrowski (gekürzt)

Die Mittelschule - ein Auslaufmodell?


Auf der Grundlage des sächsischen Schulsystems werden in den Mittelschulen die Kinder von der 5. bis zur 10. Klasse unterrichtet.

In den letzten Jahren mussten viele Mittelschulen geschlossen werden, weil ihnen die notwendigen Schüler fehlten. Die Prophezeiungen des Regionalschulamtes Dresden sprechen vom gravierenden Rückgang der Schülerzahlen im Landkreis Meißen. Während man im Schuljahr 2004/05 mit 4 807 Jungen und Mädchen an den Mittelschulen arbeitete, werden es im Lernjahr 2006/07 voraussichtlich noch 3 640 sein.

Im Zusammenwirken mit Nebenbestimmungen und Verwaltungsvorschriften zur Bedarfsberechnung für die Unterrichtsversorgung führen die vom Kultusministerium erlassenen Richtwerte zur Klassenbildung zum weiteren Schulsterben in Sachsen. In Dresden bleibt es vorerst bei fünf Mittelschulen, die im bevorstehenden Schuljahr 2006/07 keine fünfte Klasse bilden dürfen. Weitere 30 Mittelschulen müssen im Laufe der nächsten drei Jahre sachsenweit geschlossen werden.

Es wirken aber noch andere Faktoren, die unmittelbar mit dem Lernen zusammenhängen.

Nach vier Jahren Grundschule erhalten die Schüler Sachsens ihre Bildungsempfehlung für eine weiterführende Schule. Hier entscheidet sich, ob sie eine Mittelschule, oder ein Gymnasium besuchen werden.

Durch die neuerlich gelockerten Zugangsbestimmungen zum Gymnasium erfolgt dabei ein weiterer Aderlass der Mittelschulen.

Wenn es nach der 4. Klasse um die Entscheidung des einzuschlagenden Bildungsweges geht, entscheiden sich 50 % der ehemaligen Grundschüler für einen solchen jenseits vom „Mittelmaß“ zum Abitur.

Arbeitet sich hier zu Tode, was sowieso keine Zukunft hat?

Schauen wir mal nach Bayern! Dort werden die Kinder nach der 4. Klasse in Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten getrennt.

Stress und tränenreiche Entscheidungen gehen damit einher, denn viele Schüler schaffen den Sprung zur Realschule nicht. Nur ein Drittel der Grundschüler Bayerns mit Migrationshintergrund erreicht den für diese Schulart, oder ein Gymnasium erforderlichen Notendurchschnitt. Die Mehrheit (2/3) von ihnen muss die Hauptschule besuchen.

Man kann also feststellen, dass die Verflüchtigung der Mittelschüler/Realschüler in den neuen und alten Bundesländern in zwei entgegengesetzten Richtungen erfolgt!

Die jüngsten Ereignisse in der Berliner „Rütli – Schule“ veranlassen uns alle, über die Zweckmäßigkeit einer frühen Selektion nachzudenken. Eine Weichenstellung für das Leben bereits in der 4. Klasse ist viel zu früh und geht nur in den wenigsten Fällen auf.

Dagmar Gorek

Stadträtin (Coswig)

Kreisrätin (Meißen)

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