Wie denken "unsere" Politiker über Kriegseinsätze?
von Reinhard Heinrich
Das können wir nicht wirklich wissen. Aber wie sie im alten Reichstag in Berlin abstimmen, das schon.Viele gute Gründe ("fürs Vaterland in der Stunde der Not" etc.) sprachen auch 1914 dafür, es der schändlichen Entente gehörig zu zeigen, dass man österreichische Kronprinzen in Sarajevo nicht einfach so erschiessen darf. Auch nicht als serbischer Separatist.
Und als sie es ihnen 4 Jahre lang gehörig gezeigt hatten, war Deutschland verarmt, besiegt und ausgehungert. Die Volksvertreter hatten sich wohl geirrt.
Unsere Abgeordneten im alten Reichstag, ja, so waren sie. Da nützte es auch nichts, dass noch 1903 genau 22 von 23 sächsischen Reichstagsabgeordneten Sozialdemokraten.waren [s. Wikipedia - Reichstagswahl_1903]. Der Sozialdemokrat Karl Liebknecht allerdings hatte dabei ein ungutes Gefühl - womit er bekanntlich Recht behielt.
Nicht, dass er sich am 4. August 1914 bei der Abstimmung über die Kriegskredite nicht hätte an die Fraktionsdisziplin hätte halten wollen. Er war ein ordentlicher Genosse, der Rechtsanwalt Liebknecht. Und auf der Fraktionssitzung am Tag vorher waren auch noch 13 weitere Genossen Abgeordnete mit ihm der Meinung, dass das Deutsche Kaiserreich für einen Krieg nicht noch Extra-Geld schöpfen sollte - nichts andere ist eine Kreditaufnahme ja. Die Mehrheit war in Gefahr und der Fraktionsvorstand muss mächtig geackert haben, um in der Reichstagssitzung vom 4. August trotzdem noch die einstimmige Zustimmung der Fraktion zu erlangen. Liebknecht stimmte hier ebenfalls zu. - Behauptet Wikipedia. Anderen Quellen zufolge drückte er sich - in der Zwickmühle zwischen Parteidisziplin und Gewissen - vor der Abstimmung, indem er verspätet zum Plenum erschien. 1916 notierte er immerhin:
"Die Tragweite der Kreditbewilligung für die Umschwenkung der gesamten Fraktionspolitik ins Regierungslager lag nicht auf der Hand: Noch bestand die Hoffnung, der Beschluss vom 3. August sei das Ergebnis einer vorübergehenden Panik und werde alsbald korrigiert, jedenfalls nicht wiederholt und gar übertrumpft werden. Aus diesen und ähnlichen Erwägungen, allerdings auch aus Unsicherheit und Schwäche erklärte sich das Misslingen des Versuchs, die Minderheit für ein öffentliches Separatvotum zu gewinnen. Nicht übersehen werden darf dabei aber auch, welche heilige Verehrung damals noch der Fraktionsdisziplin entgegengebracht wurde, und zwar am meisten vom radikalen Flügel, der sich bis dahin in immer zugespitzterer Form gegen Disziplinbrüche oder Disziplinbruchsneigungen revisionistischer Fraktionsmitglieder hatte wehren müssen."Als der Reichstag am 2. Dezember 1914 nochmals zusammentrat, um per Ergänzungsbeschluss den "von Sieg zu Sieg eilenden kaiserlichen Truppen" (originale "Illustrierte Kriegsberichte" können beim Autor eingesehen werden) weitere Mittel zu bewilligen, stimmte Liebknecht offen gegen seine Fraktion, indem er als einziger Abgeordneter sitzen blieb, als Reichstagspräsident Kaempf die Zustimmung durch feierliches Erheben von den Plätzen einforderte. Diesmal schwänzte der Genosse Otto Rühle die Abstimmung.
Zitiert nach Laschitza, Keller, Karl Liebknecht. S. 218. Hervorhebung im Original.
Heute ist natürlich alles ganz anders. Oder?
Nun die aktuellen Fakten für Coswig
Nun hat DIE LINKE ja kein MdB aus unserem Postleitzahlbereich 01640.Aber interessant ist es schon, wie unsere lokalen MdB heute mittag abgestimmt haben.
Stimmverhalten: zugestimmt
Wenn ich an Liebknecht denke, dann fällt mir noch Matthias Claudius ein, mit seinem Gedicht:
‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg!
O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
‘s ist leider Krieg –
und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
‘s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
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