Genossenschaft und Demokratie

Eine Machtprobe aus Coswig
von Reinhard Heinrich

Kann ein Unternehmen gegen Demokratie etwas unternehmen? Zumindest einen Versuch scheint es wert zu sein. Aber ganz so einfach ist es nicht.


Ursel ist brav
Mitglied Ursel bewohnt eine Genossen-schaftswohnung. Damit ist sie zugleich Kunde und (anteiliger) Eigentümer bei ihrem Vermieter. Und das ist gut so. Es ist aber auch ein mühevoll erworbenes Privileg, denn sie hat dafür viele Arbeitsstunden geleistet und viel Geld eingezahlt. Weil es seit dem 1. Mai 1889 ein (seither wenig geändertes) Genossen-schaftsgesetz gibt, weiß sie, dass ihre Rechte in guten Händen sind. Dazu hat sie Vertreter gewählt, die, stellvertretend auch für sie, in der Vertreterversammlung alle notwendigen Beschlüsse fassen, die die Geschicke der Genossenschaft betreffen. Weil die Vertreterin ihres Vertrauens im gleichen Hause wohnt, kann Ursel sie unkompliziert fragen, wenn sie etwas wissen will. So hat sie erfahren, dass 2010 ein Jahresüberschuss von rund einer halben Mio. Euro in die Rücklagen eingestellt wurde und die Bilanzsumme beim letzten Jahresabschluss rund 84,7 Tausend Euro betrug. Ursels Geld und ihre geleisteten Arbeitsstunden werden also gut verwaltet. Der Genossenschaft geht es gut. Ursel wohnt gern in ihrer Wohnung.

Eckehard ist nicht brav
Mitglied Eckehard wohnt auch gern in seiner Wohnung. Er hat auch das gleiche geleistet wie Ursel, um hier wohnen zu dürfen. Und er tut noch etwas mehr. Er nimmt sein Grundrecht auf demokratische Teilhabe in Anspruch, vertritt als gewählter Stadtrat die Interessen seiner 2.000 Wähler - darunter auch Mitglieder seiner Genossenschaft - und versucht Schaden von seiner Stadt wie von seiner Genossenschaft abzuwenden. Dabei nennt er einen Fehler einen Fehler und fordert die Einhaltung von Recht und Gesetz. Ursel hat das nicht getan. Sie darf Genossenschaftsmitglied bleiben. Eckehard nicht. Das wundert ihn.

Denn er ist eigentlich sehr für genossenschaftliches Eigentum - gerade bei Wohnungen. Darum hat er vor 51 Jahren auch mitgebaut. Und der Genossenschaftsgedanke gefällt auch der Partei, für die er im Stadtrat sitzt. Nur, dass er für Kritik an möglichen Gesetzesverletzungen mal schnell so einfach ausgeschlossen wird, das hat er noch nicht erlebt. Nicht einmal bei der SED, die ihn mit vier Parteiverfahren zwar zu disziplinieren versuchte, aber nicht einfach rausschmiss.

Mit Wahrheit sparsam umgehen
Jetzt wundert sich auch Ursel. Von der Vertreterin ihres Vertrauens hat sie gehört, dass der Störenfried, der  mit dem Zählen der abends real belegten Parkplätze in der Breiten Straße die ganzen schönen, von einem Berliner Architekten ersonnenen, Pläne zur Begrünung durcheinander bringt, dass dieser schlimme Eckehard also lediglich aus der Vertreterversammlung rausgeflogen ist. Kein Wort von Genossenschaft hat sie gehört. Wie "schonend" hat wohl der Vorstand diese Wahrheit der Vertreterversammlung beigebracht? Anscheinend nach dem Motto: "Die Wahrheit ist unser kostbarstes Gut - lasst uns sparsam mit ihr umgehen!"

Denn die Genossenschaft trennt sich ganz gerne mal von Diesem - oder auch Jenem, wie der heutigen (und auch mancher älteren)  SZ zu entnehmen ist. Bei solch ausgedünnter Personaldecke passiert es halt, dass der eine - oder die andere - eben mal für die Presse nicht erreichbar ist. Möglichst, bis Gras darüber gewachsen ist. Begrünung ist willkommen.

Verbreitete Zweifel
In Zeiten von Guttenplag-Wiki und Wiki-Leaks muss man allerdings damit rechnen, dass auch in Coswig - völlig ohne Tricks und doppelten Boden, nur einfach so online -  die Märkische Oderzeitung gelesen wird. Dort stellt sich, freundlich porträtiert, ein von der vorigen Arbeitsstelle (in Coswig) zwar freigestellter, aber noch bezahlter neuer Geschäftsleiter der Gebäudewirtschaft Eisenhüttenstadt optimistisch seinen neuen Aufgaben. Wir wünschen ihm allen erdenklichen Erfolg dabei. Aber von 10 Kommentaren zum Beitrag fragen doch einige recht kritisch nach seiner Coswiger Vorgeschichte. Der sparsame Umgang der Wissensträger mit ihrem kostbaren Gut hilft manchmal herrschen. Das Politbüro wusste das schon.

Aber Neugier kann zäh sein. Wir sind hauptsächlich neugierig, wie Eckehard da rauskommt - mit seinen 80 Jahren und vielleicht bald ohne Wohnung. Wie kann er auch die Weisheit von Vorständen so schamlos in Zweifel ziehen ...

Quelle der Grafik: TEIA-Lehrbuch

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