Nach der Wahl ist vor der Wahl
von Dagmar Gorek, Stadträtin
„Frauen mischen sich ein – Frauen gestalten ihre
Region“
Foto: A. Gerhardt |
Stadträtinnen und sachkundige Einwohnerinnen
von Fraktionen des Coswiger Stadtrates wurde es ermöglicht, mit einem Beitrag im Coswiger Amtsblatt zur eigenen
ehrenamtlichen Arbeit als Kommunalpolitikerin zu Wort zu kommen.
"Liebe Frauen, lassen Sie sich ermutigen, aktiv zu werden." Mit dieser Aufforderung legte mir die Gleichstellungsbeauftragte der Stadtverwaltung Coswig, Frau Angelika Gerhardt nachfolgende Fragen vor, welche ich gerne beantwortet habe:
? Kommunalpolitik ist
sehr männerdominant. Was hat Sie dazu bewogen, für Ihre Kommune aktiv zu
werden? Gab es eine bestimmte Situation oder einen Auslöser, der Ihnen dazu
einen Anstoß gab? Was ist Ihre Motivation, Kommunalpolitik zu betreiben?
Ich war seit 1993 arbeitsuchend und hatte viel Zeit und Interesse an
neuen Aufgaben.
Motivation: Nach der
Wende wollte ich meinen Unmut über die Zustände umsetzen. Das war meines
Erachtens als Oppositionspolitikerin möglich.
? Wie war Ihr
Einstiegsweg?
Mich hat Dr. Franz angesprochen (1999). Er hatte den Tipp von Frau Dr.
Metzler bekommen. Ich habe mich im gleichen Jahr innerhalb der Ortsgruppe für
die Fraktion PDS unter Dietmar Rode zur Wahl gestellt. Die Fraktion war damals
noch sehr stark, ich wurde Nachfolgekandidat und arbeitete mich als
sachkundiger Einwohner im Technischen Ausschuss ein. Noch in der Wahlperiode
übernahm ich den Platz für ein ausscheidendes Mitglied der Fraktion. Seit 2004
bin ich gewählte Stadträtin.
? Wie gelingt es Ihnen
das Engagement für Politik mit Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?
Familie und Arbeit hatte ich nicht mehr (seit 1979 alleinerziehend)! War
aber noch bei guter geistiger Verfassung. Mein jüngster Sohn wohnte noch bei
mir und war schulpflichtig. Meine saisonalen „Arbeitseinsätze“ sind wichtig für
den Kontakt mit der Bevölkerung. Nebenbei habe ich noch Zeit für den
Flötenkreis und den Chor der Kantorei. Auch sportliche Betätigung (Gymnastik)
ist mir wichtig, wie überhaupt gesunde geistvolle Lebensführung.
? Warum sollten mehr
Frauen kommunalpolitisch tätig sein?
Warum mehr Frauen? Die Geschichte beweist, dass Männer die Interessen
von Kindern, Frauen und Müttern nicht gut verwaltet haben. Das müssen wir schon
selber tun.
Frauen haben eine
andere Logik und Denkweise. Sie sind die besseren Diplomaten und in vielen
Dingen praktischer handelnd als Männer.
? Was sind förderliche
Faktoren, damit kommunalpolitisches Engagement „gelingen“ kann?
Soziale Kompetenz, Teamgeist, Faktenwissen als persönliche
„Mitbringsel“. Kommunalpolitik lebt von und mit seinen Akteuren und ist nur auf
der Grundlage der Selbstbestimmtheit bzw.
Selbstverwaltung möglich.
? Was
sind Hürden und Herausforderungen?
Eine echte Hürde ist immer die Finanzierbarkeit, viele gute Ideen
scheitern an den Finanzen. Das Finden des kleinsten gemeinsamen Nenners ist
eine weitere Hürde. Um beschlussfähige Mehrheiten im Parlament zu bekommen,
sind Entscheidungen und Absprachen über die Fraktion hinaus vorzubereiten. Das
sind echte Herausforderungen.
Kommunalpolitisches
Engagement ist nicht nur an den Stadtrat gebunden. Es gibt ja noch viele
weitere Tätigkeitsfelder. Da kommt es darauf an Netzwerke zu bilden, damit die
Aktivitäten gebündelt zum Einsatz kommen und dadurch mehr Wirkung haben.
Inzwischen gründen sich auch Vereine, die sich für demokratische Rechte stark
machen. Auf diesem Feld sind Frauen bereits sehr aktiv. Eine große
Herausforderung wird der Umgang mit unserem „rechten Erbe“ sein. Große Teile
der Gesellschaft sind mit dem halbherzigen Abarbeiten der Thematik nicht
zufrieden und werden über die gesellschaftlichen Gremien hinaus Veränderungen
einfordern.
? Haben Frauen den
längeren Atem?
Man
sagt ja, dass Frauen nachtragend sind. Es gibt auch sehr ausdauernde Männer.
? Was war bzw. ist für
Sie die größte Herausforderung als Stadträtin? Was bewegt Sie? Was haben Sie
bewegt?
Größte Herausforderung als Stadträtin: Den
inneren Schweinehund überwinden, und Beschlüssen zustimmen, welche den
einzelnen Bürger und natürlich auch mich finanziell belasten, um den
Fortbestand kommunaler Eigenbetriebe sicherzustellen. Die Einführung des
Grundentgeltes für Wasser und Abwasser durch die WAB Coswig war ein Vorgang,
der mich bewegte und dabei konnte ich leider nicht viel bewegen.
?
Würden Sie der Aussage zustimmen: Frauen
sind „Kommunikationsexpertinnen“?
Frauen als Kommunikationsexpertinnen bewundere
ich ebenso, wie Männer, welche gute Rhetoriker sind. In beiden Fällen ist
persönlicher Charme nötig.
? Was wünschen Sie sich
für die Zukunft, wenn es um die Geschlechtergerechtigkeit der Zusammensetzung
der Kommunalparlamente geht?
Geschlechtergerechtigkeit hängt davon ab, in welchem Umfang Frauen und
Männer Möglichkeiten haben, ihr Talent zu entfalten und auf die Gesellschaft
Einfluss zu nehmen. Es gehört auch der eigene Wille und Mut dazu, außerhalb
familiärer Bindungen tätig zu werden. Außerdem müssen noch Kraftreserven vorhanden
sein. Ich glaube, dass in Zukunft mehr Frauen diese Herausforderung annehmen
werden.
Abschließend
möchte ich sagen:
Die Tätigkeit im
Stadtrat ist immer interessant und informativ, man lernt viel dabei und kann
Einfluss nehmen. Wenn ich durch Coswig gehe, freue ich mich über die
Entwicklung unserer Stadt. Dass ich daran mitwirken konnte, gibt mir
Zufriedenheit. Dennoch mache ich meinen Platz in der nächsten Wahlperiode frei
für einen Nachfolger. Hoffentlich eine Frau!
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