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Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Coswig

Grafik:
https://www.facebook.com/WeisseRoseGemeinschaft
Am Gedenktag für die Opfer des National-
sozialismus, Freitag, 27. Januar 2017, treffen sich Stadträte und Bürger um 15.00 Uhr am Gedenkstein Bahnhofstraße, um dort und anschließend vor der Gedenktafel an der Leonhard-Frank-Mittelschule und am Gedenkstein Karrasburg Blumengebinde niederzulegen. Die Gedenkansprache hält ein Vertreter der CDU-Fraktion.  
Alle Coswigerinnen und Coswiger sind herzlich eingeladen.
 
Die Fraktionen des Coswiger Stadtrates

Nur eine Tafel an der Turnhalle

“Die Straße nach Auschwitz war mit Gleichgültigkeit gepflastert.“

Bemerkungen zu einer Gedenk-Tafel auf dem Schulhof

von Reinhard Heinrich

So formuliert es der britische Historiker Ian Kershaw, ein bedeutender Experte für deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts. Neben seinem Standardwerk über Hitlers Aufstieg und Herrschaftssystem kennen wir, in gleicher Qualität, wenn überhaupt, nur noch Sebastian Haffners “Anmerkungen zu Hitler “.

Was wir aus beiden Werken lernen können ist: Vor keinem Hitler brauchen wir uns zu fürchten. Wohl aber vor der Gleichgültigkeit, die den Verhältnissen entspringt, unter denen einer wie Hitler Gefolgsleute zu gewinnen vermag.

Denn nicht nur die Verprügelten in dieser Turnhalle waren Coswiger - auch die gleichgültig Prügelnden waren von hier.


Die SA-Leute hatten einen Führer gefunden, der ihnen einen Ausweg zeigte aus der Tatenlosigkeit nach Deutschlands Niederlagen im Weltkrieg und danach. Wohin dieser Weg später führte, war ihnen egal. Es konnte nur besser werden, denn die Lage war bedrückend in dieser traurigen Republik.

Und die Geprügelten?

Sie waren deutlich weniger als die SA-Leute. So ist das nun einmal, wenn man sich Gedanken macht. “Denken ist schwer, darum urteilen die Meisten." - warnt der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung. Die Denkenden kannten keinen anderen Weg, als den dumpfen Massen zu widerstehen, die in Braunhemden gewaltsam Erlösung suchten. Ironie des Schicksals: “Die Masse ist dumpf.” - ein Hitler-Wort.

Und auf Dumpfheit und auf Dummheit ist Verlass.

Das erleben wir heute manchmal aus Werbeprospekten wie aus politischen Verlautbarungen.

Die Klugheit, so definiert es die Soziologin und Schriftstellerin Esther Vilar, als Tochter deutscher Juden 1935 in Buenos Aires geboren - und darum am Leben geblieben - die menschliche Klugheit kann heute nicht mehr in Fähigkeiten bestehen, die Maschinen besser ausüben als wir.

Als da sind ein zuverlässiges Gedächtnis (für Jahreszahlen in Geschichte), fehlerfreie logische Operationen (wie Rechnen) oder die fehlerfreie Wiedergabe von Texten (Die Glocke von Schiller) - wofür unsere Großeltern noch glänzende Schulnoten erhielten.

Was wir Menschen den Maschinen noch voraus haben (können), sind Phantasie und Einfühlungsvermögen.


Die hier in dieser Turnhalle Geprügelten hatten Phantasie. Sie konnten sich vorstellen, wohin das führt. Die Prügelnden folgten phantasielos primitiven Aufrufen - und später Befehlen.

Die hier Geprügelten hatten auch Einfühlungsvermögen. Sie fühlten mit denen, die im Laufe des 12 -jährigen Reiches unter jene Räder kommen mussten, an denen die Dumpfen und Dummen so hemmungslos drehten. Folgerichtig waren die Geprügelten zumeist mit unter denen, die unter eben diese Räder kamen.

Einer von ihnen, ein Musiker vom Lachenweg, war auch nach dieser dunklen Zeit noch imstande, die Trompete zu blasen. 


Sein “Il silencio” habe ich sonntags als Kind noch gehört. Er dürfte ein Einzelfall gewesen sein. Wenn - nach 1933 - Nachbarn die Fenster öffneten, um mit ihrem Volksempfänger die Siedlung mit Goebbels- und Hitlerreden und zackiger Marschmusik zu beschallen, spielte er laut auf seinem Instrument. Man erzählt, die “Internationale“ sei herauszuhören gewesen.

Und wenn man auch - als Kind, und auf dieser Straße - zum Glück ungestraft, dem NS-Blockwart Hoheisel auf sein “Heil Hitler” einmal, nur ein mal, ein “Rot Front” entgegen schmettern konnte - den jungen Erwachsenen Heinz Dreißig mit der Trompete holte die SA zum Verprügeln in diese Turnhalle.

Sie nannten sich nicht Bürgerwehr - oder Heimatschutz, sondern SA - Sturm-Abteilung. 


Aber es waren die passenden Leute drin. Die den einfachen Antworten auf schwierige Fragen dankbar lauschten.

Wir haben heute andere Verhältnisse. Eine Karrasstrasse kriegen die Coswiger voll - mit Lichtern und leisem, aber eindringlichem “Dona nobis pacem “ - Gesang. Und das macht Mut. Und der verprügelte Musiker vom Lachenweg wäre stolz auf uns. Und das sind wir ihm auch schuldig.

Sein Name war Heinz Dreißig.

Prof. Siegfried Grunert, auch vom Lachenweg in Coswig, ein Nachbarskind des Musikers von damals, kann mehr davon erzählen.

Dass diese Gewalttat in einer Schul-Turnhalle stattfand, war schlimm. Dass aber die Gedenktafel dazu auf einem Schulhof hängt, lässt mich hoffen.

"Der Weg nach Auschwitz war mit Gleichgültigleit gepflastert"

„The path to Auschwitz was paved with indifference“ (deutsch: „der Weg nach Auschwitz war mit Gleichgültigkeit gepflastert“). 

Unsere Stadtbibliothek verfügt  (zur Ausleihe!) über eine DVD mit dem Film Borat – Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen (meist einfach Borat) des britischen Komikers und Schauspielers Baron Cohen.

Das klingt lustig. Ist es auch .

Aber Cohen will mehr als nur Spaß.
Seine kritische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus wurde bereits während seines Studiums in Cambridge geformt. Besonders eine Aussage des Historikers Ian Kershaw habe ihn beeinflusst, nämlich: „The path to Auschwitz was paved with indifference“ (deutsch: „der Weg nach Auschwitz war mit Gleichgültigkeit gepflastert“). Eine solche Art Gleichgültigkeit sei es, so Baron Cohen, die Borat entlarve.

Am Mittwoch, dem  27.01.16 findet um 16:30 Uhr in der Grünanlage neben der Buchhandlung Tharandt

am Gedenkstein das alljährliche Gedenken an die Opfer des Faschismus statt. Es wäre schon gut, wenn einige Zeit dafür aufbringen könnten und daran teilnehmen.
2016: Es dürfen alle kommen
2014: Stadtrat Dr. Franz sprach
zum 27. Januar

Zum Andenken

Dr. Eckehard Franz zum 1. Mai 2014/ Foto: Rode
Dr. Eckehard Franz  - verstorben am 19.06.2014

Heute vor einem Jahr ist er verstorben. Als engagierter und streitbarer Linker ohne Parteibuch, Stadtrat und Fraktionsvorsitzender hat er die Kommunalpolitik in seiner Heimatstadt Coswig maßgeblich mitgeprägt. Noch zur letzten Stadtratswahl hat der "Franz Dampf in allen Gassen", immerhin bereits 83 Jahre alt, enorm viele Wählerstimmen bekommen. In fast allen Ressorts wirkte er mit, am intensivsten aber zu Umweltproblemen, Wasserwirtschaft, Wohnungpolitik und Lärmschutz. So einer wie Eckhard wird immer irgendwie fehlen. Wir haben uns oft aneinder gerieben, aber doch  auch viel miteinander erreicht.

Dr. G. Dietmar Rode
vormals Stadtrat in Coswig

Bitte auch hier und hier anklicken.

Für Coswig fällt der 8. Mai seit 1945 auf den Siebenten -

Wir laden nochmals ein  zum ehrenden Gedenken an die Rote Armee, die Coswig am 7. Mai 1945 befreite.


Stadträtin Evelyn Ponyeszi, Ortsvorsitzende der Partei DIE LINKE  rief während der letzten Stadtratssitzung im Namen der Fraktion Rot-Rot-Grün den gesamten Stadtrat auf, am Donnerstag,dem 7. Mai um 17 Uhr am Gedenkstein auf der Moritzburger Strasse / Ecke Salzstrasse zu einer kurzen Ehrung der Sowjetsoldaten zu erscheinen und Blumen und Blumengebinde niederzulegen.

Die Fraktion Rot-Rot-Grün hatte sich bereits in ihrer Fraktionssitzung geeinigt, diese moralische Verpflichtung gemeinsam wahrzunehmen.Auch von den übrigen Fraktionen gibt es Zusagen.


Es ist keinem Coswiger verwehrt, als normaler Bürger - ausserhalb von Parteien und Fraktionen - die Sowjetsoldaten an diesem Tag sichtbar zu ehren, die nicht nur Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten oder, sagen wir mal, die Naturfreundejugend Deutschland vom Faschismus befreiten, sondern auch Christen, Juden und andere "Störenfriede" des "3.Reiches" aus Zuchthäusern und Lagern holten.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) formulierte 1985: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Und auch Bundespräsident Joachim Gauck (CDU) machte erst gestern auf "Defizite" bei der Würdigung des Schicksals sowjetischer Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft aufmerksam.

Manche Menschen haben es zwar nicht leicht "Tag der Befreiung" statt "Kriegsende" zu sagen. Aber wir sehen das so, wie Richard von Weizsäcker 1985:
„Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. Wir haben wahrlich keinen Grund uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“

Coswig erinnert


Am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, Dienstag, 27. Januar 2015, treffen sich Stadträte und Bürger um 16.00 Uhr am Gedenkstein Bahnhofstraße, um dort und anschließend vor der Gedenktafel an der Leonhard-Frank-Mittelschule und am Gedenkstein Karrasburg Blumengebinde niederzulegen.
Alle Interessenten sind herzlich eingeladen.
Frank Neupold
Oberbürgermeister
Die Fraktionen des Coswiger Stadtrates

“… wir haben vor 25 Jahren ein Wunder erlebt …” ?

Die beste DDR aller Zeiten – von
Oktober 1989 bis Oktober 1990.









“Ein Ereignis, das sich jeglicher vollkommenen Entschlüsselung entzieht. ”

(Michael Diener auf Facebook)

Für mich war es (zwischen Oktober 1989 und Oktober 1990) eine wunderbare Zeit und sehr leicht zu entschlüsseln – im Nachhinein. Während dieser Zeit aber geschah, was Friedrich Engels schon hundert Jahre zuvor in einem Brief schrieb (abgedruckt im Sozialistischen Akademiker vom Oktober 1895):

„Es sind also unzählige, einander durchkreuzende Kräfte“, heißt es, „eine unendliche Gruppe von Kräfteparallelogrammen, daraus eine Resultante – das geschichtliche Ereignis – hervorgeht, die selbst wieder als das Produkt einer, als Ganzes bewusstlos und willenlos wirkenden Macht angesehen werden kann. Denn was jeder einzelne will, wird von jedem anderen verhindert, und was herauskommt, ist etwas, was keiner gewollt hat.“ (Brief von 1890) „Die politische, rechtliche, philosophische, religiöse, literarische, künstlerische usw. Entwicklung beruht auf der ökonomischen. Aber sie alle reagieren aufeinander und auf die ökonomische Basis.“

So war es – und ich war – auch damals schon – sehr gern mittendrin. Man war zwar etwas unsicher, weil nichts mehr planbar war, aber überall war Zuversicht und Hoffnung. Überall war Toleranz und Verständnis – aber auch allerhöchste Wachsamkeit gegenüber dem Nächsten, was die Methoden der Veränderung betraf.

Denn selbst innerhalb der noch mitgliederstarken SED bestand – wenigstens an der Basis, wo ich war, völliger Konsens, dass eine gute Sache auch mit ausschliesslich guten Mitteln zu vertreten sei.



Hier weiter lesen!

Zur Erinnerung: Fotoalbum


Kurz vorgestellt

Als möglicherweise dauerhafte Einrichtung erschien unlängst auf der gesonderten Seite "Galerie" (oben anzuklicken) ein Fotoalbum, das noch weiter ergänzt wird.
Wir stellen es hier kurz vor - bevor neue Berichte und Ereignisse hier im Blog "oben"erscheinen und alles älter nach unten rutschen lassen, bis es im Archiv liegen bleibt.
Wir wünschen anregende Erinnerungen beim Betrachten der Fotos!

Nachruf und Termin der Trauerfeier

Eckehard Franz am Infostand, Coswig, Hauptstrasse
mit Mitstreiter(inne)n
Foto: R. Heinrich
Kreis Meißen von links: Nachruf:
Wir trauern um unseren langjährigen Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Coswig ...
 ...
Die Trauerfeier findet am 26. Juni 2014, 11:00 auf dem Friedhof in Coswig statt.

[Für den vollen Text bitte mittels Link oben zur eigentlichen Meldung!]

Karras-Depesche - CNN: Mach´s gut, alter Freund

E. Franz - einer aus der Generation "Bau-auf"
Foto: privat
Karras-Depesche - CNN: Mach´s gut, alter Freund:

Was gibt´s denn Neues von Ecki Franz?


von Torsten Oelsner 
 Lieber Eckehard,
Als ich am späten Donnerstagabend die Nachricht ...

Für den gesamten Nachruf bitte Link anklicken!

Der "unrunde" Jahrestag 2013 - Anlass zum Nachdenken

Einige Blicke auf den 8. Mai in Coswig

von Reinhard Heinrich

(S. auch DIE LINKE.Coswig - gemeinsame Stellungnahme der Fraktion und des Ortsvorstands!)


Rückblick

Berlin: Das Foto  war
 gestellt - die
Befreiung  echt.

Ein langes Gedächtnis ist vielen Menschen (das trifft die Mehrheit der Wähler wie auch der Politiker) anscheinend versagt. Sei es "der Schöpfer" (für religiöse Menschen), seien es "die Umstände" (für die weniger religiösen Leser von Fr. Engels), wie auch immer - es ist eine Tatsache. Das haben unsere Vorfahren frühzeitig erkannt und dafür Gedenktage eingeführt. Und um die Gedächtnisleistungen unserer Leser nicht zu überstrapazieren, beschränken wir uns in diesem Artikel auf die jüngere Vergangenheit. Kein Wort also über 1945! Darüber ist schon alles geschrieben - nur noch nicht von allen.
Einige Gedenktage bewahren wichtige Ereignisse vor dem Vergessen - wie zum Beispiel der Reformationstag, mit dem auch Nichtchristen gern die Erinnerung an den grossen Beweger Martin Luther pflegen. Denn Bewegung ist dialektisch Gebildeten viel wert.
[Bilder zum Vergrössern bitte anklicken!]

Weizsäcker und Herzog als Vor-(Ge)denker

Berlin: Einsichten 1946
Eine Bewegung war auch der Sieg der Alliierten über den Hitlerfaschismus. Je nach Orientierung mögen sie einige als Rückwärtsbewegung sehen, extreme Rechte sowieso. Wir aber orientieren uns gern an den Worten unseres ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog (CDU), der 1995 in seiner Rede beim Staatsakt zum 50. Jahrestag der Befreiung unter anderem sagte: "Deutschland hatte den furchtbarsten Krieg entfesselt, den es bis dahin gegeben hatte, und es erlebte nun die furchtbarste Niederlage, die man sich vorstellen konnte."
Zehn Jahre zuvor hatte bereits 1985 Richard von Weizsäcker als deutsches Staatsoberhaupt in seiner vielbeachteten Rede im Plenarsaal des Bundestages mit seiner  Formulierung "Befreiung vom Nationalsozialismus" eine Kernaussage unserer nationalen Erinnerungskultur geprägt.  

Coswig und das Gedenken

Coswig 2011: nicht gestellt


Es steht daher füglich keinem Deutschen - also auch keinem Coswiger - zu,  sich 2013 über die Behandlung Deutscher 1945 (auch schlechte, sogar  gelegentlich unmenschliche) durch die Sieger auch nur im Geringsten zu beschweren - auch wenn das bisweilen geschieht. Diese Kapitulation war bedingungslos und sie war (mehrmals!) zu vermeiden gewesen. Hitler war 1933 mittels Wahlen an die Macht gekommen und alle seine Absichten und Ziele hatte er zuvor in "Mein Kampf" offen ausgesprochen*). Dass aber auch die KPD offen und eindringlich im Wahlkampf vor Hitlers Absichten gewarnt hatte, lassen wir mal beiseite. Nach über 60 Jahren Bildungs- und Aufklärungsmöglichkeiten über (reale!) Kriegsgreuel - auch in Coswig - sich vordergründig zu beklagen heisst dann offensichtlich, den 2. Weltkrieg, insbesondere seine Ursachen und Folgen einfach nicht verstehen zu wollen.

Traditionspflege von politischer Reife

Coswig hat 2005 zum 60. Jahrestag der Befreiung und 10 Jahre nach Bundespräsident Herzogs Rede öffentlich gezeigt, dass diese Ursachen und Folgen hier im Gedächtnis bewahrt werden. Eine eindrucksvolle Feierstunde im Gymnasium führte Vertreter aller demokratischen Fraktionen unseres Stadtrates, Vertreter von Vereinen und Organisationen, interessierte Bürger sowie Schüler und Lehrer zusammen, um den Gedenktag würdig zu begehen. Ein Posaunenchor spielte angemessen feierlich. Erinnernde und mahnende Ansprachen wurden gehalten. Ein Chor von Coswiger Spätaussiedlerinnen aus Russland sorgte mit schwermütigen Weisen für den passenden Hauch "grosse russische Seele" - zum Gedenken an die allein durch deutsche Schuld gefallenen Sowjetsoldaten. Und "ausgerechnet" Pfarrer Schuster (ev. Gemeinde Coswig) rezitierte ein Gedicht des Antifaschisten Johannes R. Becher, der sich auch als Kommunist sah. So wurde unleugbar deutlich, dass die Rote Armee hier ganz Coswig befreit hatte - und nicht nur ein paar "unbedeutende" Nazigegner. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Und natürlich sass unser damaliger OB Reichenbach (CDU) in der ersten Reihe. Im Gymnasium gab es über mehrere Etagen eine Ausstellung und interessante Info-Stände zur Geschichte. Mit dieser politische Reife beging Coswig den 60. Jahrestag der Befreiung 2005.

Ausblick

Coswig 2013, die "Umgestaltung"
des Gedenksteins zeigt den
geschichtsvergessenen 
Geist mancher Zeitgenossen.
Wir dürfen hoffen, dass zum 70. Jahrestag der Befreiung in 2 Jahren, am 8. Mai 2015 (einem Freitag!) diese Coswiger Tradition ihre würdige Fortsetzung findet. Vielleicht sogar mit einem Blumengebinde der Stadt Coswig am Gedenkstein - inmitten einer wohlgepflegten Parkanlage ... Und wenigstens zwei oder drei kleinen Ansprachen seitens der dann im Coswiger Stadtrat jeweils stärksten Fraktionen. Das wäre auch eine kleine Verbeugung vor Richard von Weizsäcker und Roman Herzog. Dass ein Pfarrer Gedichte von Becher aufsagt, ist auch denkbar - aber Herr Schuster ist dann wohl leider im Ruhestand. Doch mit Gottes Hilfe wird Coswig wohl traditionsgemäss auch dann wieder einen gebildeten Demokraten auf der Kanzel haben. Da bin ich mir beinahe sicher. Beim Pressesprecher manch einer Partei allerdings nicht.
Coswig 2013 - mitgebrachte  Blumen
sprechen eine deutliche Sprache

PS: Lange vor diesem Text, am 22. Mai, hat sich auch der junge Coswiger Stadtrat Innocent Töpper gemeinsam mit Anne Kämmerer (beide Bündnis90/Die Grünen) in gleichem Sinne hier geäussert.  Das bestätigt unseren optimistischen Ausblick ein wenig.

PPS: Seit dem 26.05.2013, 11:05 Uhr gibt es auf der Homepage der CDU Coswig eine wohl beschwichtigend gemeinte "Erklärung" als Nachtrag zur Veröffentlichung vom 2. Mai 2013. Offensichtlich eine Reaktion auf andere Proteste, denn unsere "Würdigung" war zu dem Zeitpunkt noch nicht erschienen. Gut, dass wir nicht allein so kritisch hinschauen!

(Vorläufig?) letzter Nachtrag: Bis ins Ruhrgebiet ist der traurige "Ruhm" der Coswiger CDU (und ihres Pressesprechers) gedrungen. Schon am vorigen Freitag erschien bei "Ruhrbarone" ein Beitrag in rauen aber herzlichen Worten zur historischen Entgleisung. 
Wie gut, dass der Ruf unserer Stadt nicht allein von der CDU bestimmt wird.

_________________________________________________
*) Wird von Victor Klemperer in LTI versichert. Das Buch "Mein Kampf" ist bekanntlich in Deutschland nicht öffentlich verfügbar.

Zum Gedenken an Walter Keil

Walter Keil und Ortsvorsitzende Evelyn Poernyeszi
auf dem Kreisparteitag in Meißen im November 2012
Foto: Rode
In der Zeitung stand gestern die traurige Nachricht, dass unser Genosse Walter Keil bereits am 05. April verstorben ist. Er hat sich bis zuletzt für DIE LINKE engagiert und war auch im Blinden- und Sehschwachenverband sehr aktiv.

Die Trauerfeier wird am 12. April 11:30 Uhr auf dem Friedhof in Coswig sein.

Wir werden seiner in Ehren gedenken.

Ortsvorstand und Fraktion DIE LINKE im Stadtrat


Zum Gedenken

Inge und Fred zum Gedenken.
Wie ich heute erst telefonisch von ihrem Neffen erfahren habe, ist Inge Schreier im Dezember vergangenen Jahres verstorben. Nach dem Tod ihres Mannes Fred, dem langjährigen Ortsvorsitzende der PDS/DIE LINKE in Coswig, war sie zu Verwandten nach Bayern gezogen.

Inge war Stadträtin und hat sich vor allem im Seniorenbeirat von Coswig sehr engagiert. Beide haben das Bild unserer Partei in Coswig deutlich mitgeprägt. Wir sollten sie nicht vergessen.

G. Dietmar Rode
damaliger Fraktionsvorsitzender


Coswig - ungewöhnlich, aber gut ...

Wie Gedenken in Coswig zum Nachdenken (ge-)führt (wird).

von (c) Reinhard Heinrich
Bundesweit begeht man seit 1996 den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus entsprechend der Proklamation des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog alljährlich am 27. Januar. Coswig ist manchmal anders. Hier wird nachgedacht, um möglichst auch historisch bedingtem Tun einen gegenwärtigen Sinn zu geben. Zwiefach sinn-voll war die Verlegung der Ehrung auf den Montag nach dem eigentlichen Gedenktag. Der Montag darauf passte einfach besser, um viele Teilnehmer zu mobilisieren und ausserdem gab es noch einen dazu passenden Anlass. Dazu später mehr.

Bewegtes Gedenken

Stadtrat Dr. Franz bei der Ansprache
Was sich mancherorts auf eine Kranzniederlegung beschränkt, ist in Coswig eine "Bewegung" - zwischen drei Gedenk-Orten. Die Teilnehmer treffen sich am VVN-Gedenkstein in der Bahnhofstrasse, legen Blumengebinde nieder und hören eine Ansprache. Das "demokratische Privileg", diese Rede auszuarbeiten und vielleicht noch weitere, würdige Beiträge zu gestalten, geht reihum alljährlich an eine jeweils andere Fraktion des Stadtrates. Ehrgefühl und die Gewissheit, irgendwann selbst einmal an einem dieser Steine zu sprechen, gebietet sicherlich so manchem Volksvertreter, der vielleicht auch "besseres zu tun" hätte, möglichst hier dabei zu sein. Gestern war es der Linksfraktion übertragen, die auch vollzählig teilnahm, aber in der Menge der weiteren Teilnehmer eigentlich nur auffiel, wenn sie "dran" war.


Manche Coswiger Bürger ohne solchen "Vordergrund" kommen auch wegen ihres persönlichen - auch familiär-historischen Hintergrundes. Im meiner Nachbarschaft blies einer stets vom Balkon auf der Trompete mehr oder weniger rote Lieder, wenn nazitreue Rundfunkhörer die Fenster öffneten und die "Goebbelsschnauze" laut drehten, damit die Führer-Rede überall gehört werde. Er hieß Heinz Dreißig und hat wohl das KZ Hohnstein einigermassen überlebt, denn seine Trompete habe ich als Kind noch manchmal in der Siedlung gehört.
Dr. Franz, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE hielt am Gedenkstein seine Ansprache, die von der weithin bewältig geglaubten Geschichte der Nazi-Verbrechen auf das "überraschende" Wiederauftauchen gewalt- und mordbereiter junger Menschen im "nationalsozialistischen Untergrund" hinführte.
So weit die Station Eins.

Erschreckendes "Sieg heil" statt "Sport frei!" - Turnhalle


Die Teilnehmer bewegen sich vom Gedenkstein zur Leonhard-Frank-Mittelschule in der Hauptstrasse, wo an der alten Turnhalle eine Gedenktafel berichtet, dass am 5. April 1933 hier 70 Coswiger, die den Nazis nicht in den Kram passten, von SA-Männern misshandelt wurden. Wer es wollte, konnte schon kurz nach Hitlers Machtergreifung hier das wahre Gesicht des menschenverachtenden NS-Systems erkennen. Der trompetende Nachbar vom Lachenweg war unter den 70 Misshandelten.
Stadträtin Dagmar Gorek beim Verlesen
des Adenauer-Briefes
Stadträtin Dagmar Gorek (Fraktion DIE LINKE) verlas hier einen sehr persönlichen Brief Konrad Adenauers, der den alten Kanzler von einer gänzlich anderen Seite zeigt, als DDR-Schüler ihn kennen lernten: Als Mensch, der sich sorgte um das öffentliche Erscheinungsbild der katholischen Kirche und darum an einen Pfarrer schrieb, um gegen die "wir haben von nichts gewusst"-Mentalität im westlichen Nachkriegsdeutschland klar Stellung zu nehmen: (Auszug)


"Das deutsche Volk, auch Bischöfe und Klerus zum großen Teil, sind auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen. Es hat sich fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung gleichschalten lassen. Darin liegt seine Schuld."
Adenauer, todsicher nie ein Freund kommunistischer Ideen, hätte gegen die Hitler-Faschisten durchaus als (geistiger) Verbündeter wahrgenommen werden können. Frau Gorek erweiterte damit Horizonte. Blumen an der Tafel zeigen: Wir waren hier - und wir wissen, warum.


Am Stein des (früheren) Anstosses an der Karrasburg


Oberbürgermeister Frank Neupold
ehrt die Opfer von Gewaltherrschaft
mit einem Blumengebinde
OB Frank Neupold, von Anfang an als aufmerksamer Teilnehmer dabei, eilt zur dritten und letzten Station voraus. Er muss nicht sein Blumengebinde durch das halbe Coswiger Zentrum mitschleppen, wenn es den Gedenkstein für alle Opfer von Gewaltherrschaft an der Karrasburg, wenige Schritte vom Rathaus zu schmücken gilt. In vielleicht gut gemeinter Solidarität eilen einige mit ihm, während ein beträchtlicher Teil der Gruppe in "altersgerechtem" Tempo nachkommt. Und so sind auch hier wieder alle dabei, wenn auch gerade dieser Stein vor Jahren nicht von allen politischen Köpfen in Coswig gleich gut gefunden wurde.
Denn er würdigt auch Opfer der "Diktatur des Proletariats" - zu der sich ja die SED völlig offen und sogar stolz agitierend bekannte. Da gibt es nichts zu deuteln. Wenn die DDR alles klug und richtig gemacht hätte, wäre sie vermutlich noch da - und niemand hätte etwas gegen sie einzuwenden.
Stadträtin Monika Rasser beim Gedichtvortrag
Stadträtin Monika Rasser (Fraktion DIE LINKE) trug hier ein sehr schön "lokal verwurzeltes" Gedicht von Hanna Hartig, der Leiterin unserer Coswiger Musikschule, vor. Woran man sieht: Würdiges Gedenken an die Opfer braucht keine großen Worte großer Dichter. Die Worte unserer hiesigen Dichter sind groß genug, um etwas gutes auszudrücken. Man muß nur auf sie hören. Brecht hat das wohl gewußt, als er sagte: 
"Die Wahrheit darf nicht etwas Allgemeines, Hohes, Vieldeutiges sein. Von dieser allgemeinen, hohen, vieldeutigen Art ist ja gerade die Unwahrheit."
Und Coswiger wissen das.

Der zusätzliche Anlass

Nach dem Gedenken an obigen drei Orten konnte, wer wollte, noch einer nicht alttäglichen Ausstellungeröffnung beiwohnen, deren durchaus provozierender Titel manchem "gelernten DDR-Bürger" dann wohl doch zuviel war: >>"Das hat es bei uns nicht gegeben." - Antisemitismus in der DDR.<<. Mehr darüber in der Karras-Depesche - CNN.


Literararische Ergänzung

Am gestrigen Tag verstarb übrigens in Wien Ceija Stojka. Die österreichische Schriftstellerin und Künstlerin gehörte den Lovara-Roma an, die besonders in Zentral- und Osteuropa beheimatet sind. Sie überlebte als Kind drei nationalsozialistische Konzentrationslager (Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen). Auch ihr galt unser Gedenken - selbst wenn vielleicht ihr Name den meisten Coswigern  kein Begriff ist. Aber man kann ja mal in der Buchhandlung Tharandt beim Stadtrat Herrn Rost (seit 1922 heissen die Inhaber so) nach dem Buch "Wir leben im Verborgenen" fragen. Sie schrieb darin 1988 als eine der ersten über das Schicksal ihres Volkes im Nazi-Reich.

Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Coswig

Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Coswig

Der 27. Januar ist den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet. In diesem Jahr findet die Gedenkveranstaltung in Coswig in einem besonderen Rahmen statt - und aufgrund des Sonntages erst am Folgetag.

Am Montag, 28. Januar 2013, um 15 Uhr treffen sich Stadträte und Bürger am Gedenkstein Bahnhofstraße, um dort bzw. vor der Gedenktafel an der Leonhard-Frank-Mittelschule und an der Karrasburg Blumengebinde niederzulegen. Die Gedenkansprache hält in diesem Jahr Herr Stadtrat Dr. Eckehard Franz (Fraktion Die Linke.).

Um 16 Uhr wird im ev. Gemeindezentrum am Ravensburger Platz 6 die Ausstellung "Das hat’s bei uns nicht gegeben!“ - Antisemitismus in der DDR der Amadeu-Antonio-Stiftung eröffnet, die die Stadtverwaltung gemeinsam mit der Ev.-Luth. Kirchgemeinde nach Coswig geholt hat. Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Coswig werden die inhaltliche Gestaltung des Nachmittags übernehmen und mit der Sichtweise ihrer Generation sicherlich interessante Blickwinkel eröffnen.

(Pressemitteilung der Stadtverwaltung)

Grüße aus Bayern

Fred Schreier wird am Dienstag in Roth beigesetzt

Erinnerung - Coswig am 1. Mai 2002:
Inge und Fred (links) im Kreis von
Genossinnen und Genossen/ Foto:  A. Rode
Am Sonnabend rief mich Inge Schreier an. Sie wohnt jetzt in Roth/Mittelfranken, um nach Freds Tod in Coswig nicht ganz allein zu sein. Sie hat dort liebevollen Familienanschluss und wohnt in einer schönen, kleinen Wohnung.

Am Dienstag wird Fred dort beigesetzt.

"DIE LINKE gibt es hier nicht.", sagte Inge. "Aber ich kann Euch ja im Internet besuchen, und das werde ich auf jeden Fall tun."

Alles Gute für Dich, Inge. Wir denken in Coswig gern an Dich und an Fred zurück. Ihr habt Euch hier beeindruckend und beispielhaft engagiert: Du als Stadträtin und im Seniorenbeirat, und Fred als Ortsvorsitzender der LINKEN.
Viele Grüße nach Bayern!

8. Mai in Coswig

  Der Tag vor 67 Jahren, seit dem wir Frieden haben.


 Rund 15 Teilnehmer kamen zur Ehrung der Befreier.












Nach jeweils einer kurzen Ansprache der Vorsitzenden der Coswiger LINKEn, E. Poernyeszy und des Fraktionsvorsitzenden Dr. Franz legten die Teilnehmer Blumengebinde, Sträuße und einzelne Blumen zum Gedenken an unsere Befreier vom Hitlerfaschismus nieder.

8. Mai 2012 - auf zur Kranzniederlegung!


67 Jahre nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus


DIE LINKE in Coswig teilt mit, dass die Kranzniederlegung zum Tag der Befreiung auch in diesem Jahr am 8. Mai um 10 Uhr traditionsgemäss am Gedenkstein Moritzburger Str./Kreuzung Salzstrasse stattfinden wird.

Wir bitten alle Coswiger, die den opferreichen Kampf der Alliierten und besonders der Sowjetarmee als Voraussetzung für 67 Jahre Frieden  in unserem Lande erkennen, um Teilnahme an dieser Ehrung.

E. Poernyeszy (DIE LINKE Coswig)



Stell auf den Tisch das Bild ... (Sozialdemokratisches Mailiedchen 1923)

Text: Erich Mühsam; Musik: Ernst Busch

Stell auf den Tisch das Bild von August Bebel,
Den "Vorwärts" (Jahrgang 13) hol herbei,
Und klirre wieder mit dem Schutzmannssäbel
Wie einst im Mai!

Lies mir noch mal die alten Manifeste,
Der ersten Jugend holde Schwärmerei,
Und reich mir wieder die gestrickte Weste
Wie einst im Mai!

Noch einmal singt die Internationale,
Doch macht nicht wieder solchen Krach dabei,
Und nicht mit so pathetischem Finale
Wie einst im Mai!

Noch einmal tragt die feierlichen Fackeln!
(Die Reichswehr mit Musik ist auch dabei.)
Wer weiß, ob uns nicht doch die Ärsche wackeln
Dereinst im Mai!

Und so klang es in Italien:

Zum 8. März - noch mal Louise Otto-Peters

Lesestoff zum 101. Frauentag

(rh) Vor einem Jahr haben wir mit "Louise und der Tag im März" Leben und Kampf der Namensgeberin einer Coswiger Strasse gewürdigt. Wie es nun (nicht ganz) der Zufall will, hat unlängst die deutsche Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Philosophin Antje Schrupp eine Rezension zu Louise Ottos Roman  „Schloss und Fabrik“ verfasst. Die Rezensentin hat über Frauen in der Internationalen Arbeiterassoziation („Erste Internationale“) promoviert - dürfte also mit den deutschen Verhältnissen zur Entstehungszeit des Romans durchaus vertraut sein. Hier ein Auszug aus der Rezension:
Zum Buch
... es ist sehr spannend zu lesen und aufschlussreich in Bezug auf die politischen Debatten jener Zeit, in der die „vier Stände“ – der Adel, die Kirche, das Bürgertum und das Proletariat – noch in klarer Abgrenzung voneinander existierten. Noch waren die ideologischen Fronten nicht klar, das Kommunistische Manifest noch nicht geschrieben, die „bürgerlichen“ Revolutionen von 1848 noch Zukunftsmusik.
Die Handlung ist ziemlich holzschnittartig, die Figuren sind weniger als individuelle Persönlichkeiten gezeichnet denn als Repräsentationen bestimmter „Typen“. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Freundschaft zwischen Elisabeth, Tochter einer adligen Familie, und Pauline, Tochter eines Fabrikbesitzers, dessen Reichtum auf brutaler Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter gründet.
Gleichzeitig gärt es im Volk, der Kommunismus ist tatsächlich jenes „Gespenst“, das umgeht in Europa. Gewaltsame Aufstände klopfen quasi schon an die Tür, und Militär und Polizei sind die einzigen, die die Machthaber davor schützen.
Hätte ich das Buch vor zehn oder zwanzig Jahren gelesen, hätte ich es vermutlich als bürgerlich-revisionistisch abgetan. Denn Louise Otto tritt klar für eine gewaltfreie Lösung der sozialen Widersprüche ein:   ...


... Der Adel trägt in Ottos Darstellung eine Mitschuld an dem ausbeuterischen Tun der Fabrikherren, weil er diesen die soziale Anerkennung verweigert und sie quasi dazu treibt, auf puren Reichtum und materiellen Aufstieg zu setzen. Auf der anderen Seite stehen die „kommunistischen Aufrührer“ – die allerdings in der Handlung nicht selbst eine Rolle spielen, sondern nur in Form von Flugblättern und fernen Revolutionen vorkommen. Sie werden von Otto nicht verdammt, sie sind moralisch klar im Recht. Aber, meint Otto (durch ihre Protagonisten): Es bringt halt nichts, die Umstände werden dadurch eher schlimmer als besser. Und eine wichtige Rolle spielen schließlich auch die Jesuiten und die Geheimpolizei, die im Hintergrund Strippen ziehen, mit Hilfe von Agents Provocateurs die Arbeiter zu unsinnigen Aktionen aufwiegeln und sämtliche Reformbemühungen denunzieren, indem sie Beweise fälschen und dubiose Anschuldigungen konstruieren. Alles ganz aktuell irgendwie.
Zur vollständigen (sehr lesenswerten!) Rezension geht es hier.
Weil Frauentag ist - hier doch noch der Schlussatz von Antje Schrupp:

Louise Ottos Roman ist wohl nicht ohne Grund beim Erscheinen sofort zensiert worden und konnte nur in einer verstümmelten Version erscheinen. Die Originalfassung ist erst 1996 zugänglich gemacht worden.
Und nun feiert schön, Mädels jeglichen Alters! Alles Gute zum Frauentag!

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