von Reinhard Heinrich
Von Louise (links als Jugendbildnis) reden heißt von einer starken Frau reden. Nein - nicht von der preußischen Königin, die einst in Tilsit Napoleon so lebhaft die Stirn bot, soll hier die Rede sein - obwohl das auch eine starke Frau war. Aber die schrieb sich nur Luise - ohne "o". Unsere Louise hätte dem kleinen Korsen auch nicht die Stirn bieten können. Als sie auf die Welt kam, war Napoleon schon seit vier Jahren auf St. Helena verbannt.
Es geht um jene Frau aus Meißen, nach der eine Straße in Coswig benannt ist: Louise Otto-Peters. Geboren am 26. März 1819, erlebte Louise Otto als Tochter wohlhabender Bürger das Aufkeimen bürgerlich-demokratischer Bestrebungen. Das Bürgertum war im Widerstreit mit den immer noch feudalistischen Verhältnissen, die die Napoleonischen Kriege im Gefolge der Französischen Revolution aus dem alten Europa zwar nicht hinweg gefegt, aber doch merklich erschüttert hatten. Als junge Frau lernte sie bei einem Besuch ihrer Schwester in Oederan die drückende Not der Fabrikarbeiter kennen und beschrieb sie darauf in ihrem Roman "Schloss und Fabrik".
In Zeitungen schrieb Louise Otto Artikel unter dem falschen Namen "Otto Stern" - oder anonym als "ein sächsisches Mädchen" - zu "ungehörig" muss publizistische Arbeit damals für eine Frau gewesen sein. Als 1848/49 die bürgerliche Revolution auch in Sachsen Hoffnungen in Richtung Demokratie weckte, ermahnte sie die zuständige Kommission, auch für Frauen Arbeit und Verdienst zu schaffen, um Frauen nicht in die Prostitution zu treiben.
Ihre "Frauenzeitung" gab sie 1849 heraus unter dem Motto "Dem Reich der Freiheit werb' ich Bürgerinnen". Als 1843 Robert Blum in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ die Frage nach der politischen Stellung der Frau aufwarf, antwortete Louise Otto im gleichen Blatt: „Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht." Das alles kann man in ihrem Geburtsort Meißen bei Stadtführungen erfahren. Dass der Ruf nach Demokratie aber zu jener Zeit staatsfeindlich war, ist heute manchem nicht mehr bewusst.
Im Steckbrief vom 9. Mai 1849 nannte man den Dresdener (Barrikaden-) Baumeister Gottfried Semper einen "Demokraten I. Klasse“ und „Haupträdelsführer“. Sein Freund, der Komponist Richard Wagner wurde bezichtigt, ein "ausgewiesener Demokrat" zu sein - und emigrierte ebenfalls rechtzeitig. Louises Bräutigam August Peters dachte ähnlich, handelte auch danach und bezahlte dafür 1849 mit 7 Jahren Kerkerhaft. Zur Verlobung ging Louise ins Gefängnis - als Besucherin.
Und in diese Zeit hinein stellt sich Louise aus Meißen und fordert Demokratie - einschließlich Wahlrecht für Frauen. Das ist ja glatt, als könnte man eine Frau als Landrätin haben. Coswiger (und nicht nur diese) wissen, dass das heutzutage wirklich geht. Die Staatsorgane brauchten damals nur ein Jahr, um nach sächsischem Pressegesetz 1850 Louises Frauenzeitung zu verbieten. Und noch 60 Jahre dauerte es, bis ihr "Reich der Freiheit" genug "Bürgerinnen" hatte, um einen weltweit einheitlichen Tag für den Kampf um Gleichberechtigung und Wahlrecht der Frauen zu etablieren. Aber dann ging es Schlag auf Schlag.
Als Clara Zetkin im August 1910 auf der zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz diesen Tag - ohne bestimmtes Datum - vorschlug, hatten sozialistische Frauen in den USA schon seit 1908 ein nationales Frauenkomitee gegründet, das im Februar 1909 den ersten USA-Frauentag mit großem Erfolg beging, sicherlich auch deshalb, weil sich bürgerliche Frauenrechtlerinnen den Forderungen nach einem Wahlrecht anschlossen und gemeinsam mit den Sozialistinnen demonstrierten.
Der erste wirklich internationale Frauentag wurde dann am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz gefeiert. Der 19. sollte es sein, weil am Vortage, dem 18. März, der "Tag der Märzgefallenen" von 1848 begangen wurde. Und die "Pariser Commune" hatte auch im März begonnen. Genug Stoff also für Konflikte mit der Obrigkeit im Königreich. In Dresden sah das dann so aus:
In allen Stadtbezirken werden Versammlungen abgehalten. Die Neustädter Frauen bekommen kein Lokal, sie treffen sich in Pieschen. Anschließend zogen die Frauen über die Marienbrücke zum Altmarkt. Sie trugen eine weiße Fahne mit der Aufschrift: "Wir fordern das Frauenwahlrecht!" Polizisten marschierten zu beiden Seiten des Zuges. Die Polizei nahm die Personalien der Rädelsführerin Klara Noack auf, die zu 100 Mark Geldstrafe oder 5 Tagen Haft verurteilt wurde. (Quelle: Frauenstadtarchiv/Stadtwiki Dresden)
Damit mußte sich Louise aus Meißen nicht mehr herumschlagen. Sie starb 1895 in Leipzig. Zuvor hat sie aber noch Operntexte und Nachdichtungen verfasst und gemeinsam mit ihrem Mann die "Mitteldeutsche Volkszeitung" herausgegeben. Ihr Mitwirken in weiteren Zeitungen und bei der Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins unterschied sich von Bestrebungen anderer Frauenrechtler(innen) vor allem durch ihre besondere Sichtweise auf die Frauen: Nicht Zielgruppe für "Hilfe und Belehrung" sondern aktive Mitstreiterinnen für ihre Rechte sollten sie sein.
Und so ist es erfreulich, dass der nächste "Tag im März", der 100. Internationale Frauentag, durchaus in ihrem Sinne auch 2011 in der Coswiger Börse (und anderswo) festlich - und trotzdem gemütlich - begangen wird, organisiert von Frauen aus allen Parteien und Fraktionen - und (nach jetzigem Wissensstand) unterstützt von beinahe allen Fraktionen.